Seit dem 1. Januar 2023 ist Christoph Gösel neuer Geschäftsführer der Thüringer Tourismus GmbH (TTG). Der gebürtige Nordhäuser war zuletzt Geschäftsführer der KulTourStadt Gotha GmbH und ist Mitglied der Vollversammlung der IHK Erfurt. Er folgt auf Dr. Franz Hofmann, der seine Tätigkeit zum 31. Dezember 2022 beendete.
Bei der Thüringer Tourismus GmbH trägt Christoph Gösel die Verantwortung für die nationale und internationale Vermarktung des Reiselandes Thüringen, die Bereitstellung von digitalen Basisdiensten für den Thüringer Tourismus sowie für landesweite Initiativen zu Innovation, Qualität und Produktentwicklung. Wir haben mit ihm über seine Visionen und Pläne gesprochen:
Herr Gösel, Sie waren vorher Geschäftsführer der KulTourStadt Gotha GmbH und des Kulturbetriebes der Stadt Arnstadt. Was sind die Erfahrungen, die sie aus Ihrer Arbeit in Arnstadt und Gotha mitbringen?
Die Arbeit in kommunalen Unternehmen hat über gut 20 Jahre meine Arbeit und Einstellung in Bezug auf die touristische Vermarktung geprägt. Aus der Sicht der einzelnen Städte steht dabei oftmals die Frage, wo sie sich als Stadt bei der Vermarktung der Potenziale des Landes wieder finden und ob sie sich vom Landesmarketing mitgenommen fühlen. Wenn sie dabei nicht eines der Leitprodukte Thüringer Wald mit Rennsteig, Wartburg, Weimar oder Erfurt sind, drängt sich diese Fragestellung förmlich auf.
Doch neben dem schon 20-jährigen Außenblick auf die Arbeitsinhalte der TTG ist es insbesondere das Arbeitsumfeld und der Umgang mit Gremien, der schon in der Vergangenheit meine Tätigkeit geprägt hat und der mir heute nun sehr hilft, denn auch bei einer Landesgesellschaft sind die unterschiedlichsten Interessen zu kanalisieren und eine Entscheidung im Sinne der Strategie zu fällen oder im Ergebnis einer Diskussion umzusetzen.
Die Entwicklung des Tourismus in Thüringen bleibt hinter den anderen Bundesländern zurück. Die Zahl der gewerblichen Gästeübernachtungen lag in Thüringen 2022 noch 12 Prozent unter denen von 2019. Das ist mehr als in den meisten Bundesländern. Woran liegt das?
Der Blick auf die Zahlen des Jahres 2022 bestätigt das Bild der Fragestellung. Aber dabei vergessen wir, dass die Steigerung der Zahlen gerade in den letzten Monaten der Jahres 2022 gegenüber 2021 enorm zugenommen hat. Allein im Monat Dezember 2022 sind die Zahlen um 79,8 Prozent höher als im Vorjahr.
Beachten wir zunächst, dass es sich nur um statistisch erfasste Übernachtungen in Hotels und Pensionen mit mehr als zehn Betten handelt. Der in Thüringen sehr ausgeprägte „graue Markt“ der kleinen Pensions- und Ferienwohnungsanbieter wird in den Zahlen nicht dargestellt. Und nun kann sich jeder Leser fragen, ob er im letzten Jahr schon wieder die Entscheidung für ein großes Hotel getroffen hat oder vielleicht selbst eher bei einem kleineren Leistungsanbieter war.
Blicken wir also nochmal in die letzten zwei Jahre: 2021 gab es keine Weihnachtsmärkte in Thüringen. Andere Länder haben hier andere Entscheidungen getroffen.
Mit der Möglichkeit der Durchführung kultureller Veranstaltungen im Jahr 2022 ist auch der touristische Effekt wieder zurückgekehrt. Und mit Blick auf die Zahlen und Steigerungen wird ersichtlich, wie stark dieser Effekt ist.
– Christoph Gösel, neuer Geschäftsführer der Thüringer Tourismus GmbH (TTG)
Dabei stellen wir deutschlandweit fest, dass die Reiseveranstalter noch lange nicht so stark wie vor der Pandemie ihre Arbeit fortgesetzt haben.
Sie dürfen in Bezug auf die Steigerung in Thüringen auch nicht vergessen, dass gerade die Sommermonate 2021 durch die BUGA schon stark waren. Und auch, dass in einigen Regionen wie dem Eichsfeld die Zahlen des Jahres 2019 nahezu erreicht wurden.
Und so können Sie beim Blick auf die Zahlen deutschlandweit feststellen, dass es nur in Schleswig-Holstein gelungen ist, die Zahlen des Jahres 2019 wieder zu erreichen. Alle anderen Bundesländer sind noch hinter den Zahlen des touristischen Top-Jahres 2019 zurück.
Auch wenn wir hier in Thüringen nicht die ersten in der Erholung des Tourismus sind, so sprechen die Entwicklung und die aktuellen Reisetrends für uns und unser Land.
„Thüringen wird Tourismusland!“ – so steht es in der Tourismusstrategie. Was muss dafür vor allem getan werden?
Dies zielt auf die Tourismusakzeptanz. Wird von uns erkannt, welchen Beitrag in der Wertschöpfung der Tourismus hat und trägt? Auch hier bietet sich einmal mehr der Blick auf die Zahlen an. Bezogen auf die Zahlen von 2019, hat die Tourismusbranche in Thüringen einen Bruttoumsatz von 3.788 Mio. Euro generiert, die Automobilindustrie 4.491 Mio. Euro und der Maschinenbau 3.286 Mio. Euro. Es lohnt sich also, an dem Ziel zu arbeiten, ein Tourismusland zu werden. Dies hat auch die Entwicklung dieser Zahlen seit 2014 gezeigt. 86.370 Personen in Thüringen haben 2019 ihr Primäreinkommen aus touristischer Arbeit bezogen. Das ist eine Steigerung von gut 7 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2014.
Es zeigt sich, dass Engagement belohnt wird. Die vielen, welche eine hohe Qualität am Markt anbieten, generieren gute Umsätze und zeigen auch nach der Pandemie eine schnelle Erholung. Legen wir den Blick darauf, ihre Geschichten zu erzählen und geben wir somit Anregungen und Motivation, wie auch weitere Leistungsanbieter erfolgreich am Markt agieren können.
Wir sind auf dem Weg zum Tourismusland schon ein ganzes Stück vorangekommen. Die Gastgebermentalität ist gestiegen. Manchmal noch ausbaufähig, aber oftmals in herzlicher und freundlich verbindlicher Art.
Wo sehen Sie besondere Potenziale und Chancen in Thüringen, die in den vergangenen Jahren nicht ausreichend genutzt wurden?
Ein Potenzial gilt es, im Tagungs- und Kongressmarkt zu heben. Als TTG werden wir uns gemeinsam mit dem Verein Thüringer Städtekette e.V. und der Allianz für die Thüringer Veranstaltungswirtschaft e.V. auf den Weg machen und die Einrichtung eines Convention Bureau vornehmen. Die Darstellung des Potenzials der Tagungsmöglichkeiten in Thüringen ist ein noch nicht erfolgtes Projekt und soll noch im Jahr 2023 realisiert werden. Hier müssen wir die Kräfte bündeln und eine Vermarktung voranbringen.
Unsere hohe Zentralität in Deutschland wird dabei das Pfund sein, mit dem wir wuchern.
– Christoph Gösel, neuer Geschäftsführer der Thüringer Tourismus GmbH (TTG)
Nachdem wir in den letzten Jahren aber auch kaum die Potenziale der kulinarischen Vielfalt unseres Landes in der Vermarktung genutzt haben, möchte ich auch das kulinarische Thema wieder besetzen. Mit unseren regionalen Produkten brauchen wir uns nicht verstecken. Sie sind nicht nur im Laden, sondern auch in der Vermarktung des Landes Produkte fürs Schaufenster Thüringen.
Wo sehen Sie den Tourismus in Thüringen in fünf, 10 Jahren oder sogar in 25 Jahren?
In meiner Voraussage für eine Zukunft will ich lieber nicht zu weit blicken, denn wir haben gesehen, dass Ereignisse wie die Pandemie und die Tatsache, dass wir im Europäischen Raum auch wieder Kriegshandlungen haben, den Blick in eine weiter entfernte Zukunft kaum zulassen.
Die Tourismusstrategie des Landes ist über die nächsten Jahre fortzuschreiben. Dabei werden wir weiter auf Digitalisierung in den Angeboten setzen und damit die Basis für weitere Akteure bieten.
In zehn Jahren haben wie die Wertschöpfung im Tourismus weiter gehoben. Ein eingeleiteter Integrationsprozess durch Arbeit und Qualifikation wird den Fachkräftemangel in der Branche reduziert haben. Ein hoffentlich stabilisierter Wald lädt auch in zehn Jahren noch zum Wandern und Erholen in der Natur ein, einem Reisetrend, der sich in den letzten Jahren sehr verstärkt hat.
Die großen touristischen Projekte, wie die Ertüchtigung des Inselsberg, von Masserberg und Weitere werden realisiert sein und neben den schon bekannten Orten zum Verweilen einladen. Regionalität ist auf den Speisekarten eingezogen und rundet das Bild eines Tourismuslandes mitten im Herzen von Deutschland ab.
Nachhaltigkeit und Klimaschutz werden Bestandteile eines erfolgreichen Tourismus sein und in allen Bereichen unser Tun und Handeln beeinflussen.
Interview: IHK Erfurt/Christoph Gösel (TTG)
Auch 2022 hat das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft einen Tourismuspreis ausgelobte. Insgesamt 41 Vorschläge wurden für die Kategorien „Service & Qualität“, „Nachhaltigkeit“ sowie „Lieblingsarbeitgeber“ eingereicht. Die Preisträger in der jeweiligen Kategorie erhielten im Rahmen der feierlichen Auszeichnungsveranstaltung am 22. November 2022 in der Stadthalle in Gotha jeweils 5.000 Euro. Zudem wurde ein Sonderpreis in der Kategorie „Quereinsteiger“ mit einem Preisgeld von 3.000 Euro verliehen.
Besonders erfreulich ist, dass in diesem Jahr von den insgesamt vier vergebenen Preisen drei Unternehmer aus Nord-, Mittel- und Westthüringen – dem Bezirk der IHK Erfurt – kommen.
Die Preisträger vorgestellt: