Suche: Ausländische Mitarbeiter – Biete: Mehr als einen Job

©arifoto.com/Michael Reichel/Maria-Isabel Linder (li.), Prokuristin bei der „Konrad Linder GmbH & Co. Backwaren KG“ im Gespräch mit Misheel Darkhanbaatar (Mitte) und Saruul Zolbayar, Azubis aus der Mongolei.
Maria-Isabel Linder (li.), Prokuristin bei der „Konrad Linder GmbH & Co. Backwaren KG“ im Gespräch mit Misheel Darkhanbaatar (Mitte) und Saruul Zolbayar, Azubis aus der Mongolei.
Warum sollte ich diesen Artikel lesen?
  • Immer mehr Unternehmen aus der Region machen sich auch im Ausland auf die Suche nach neuen Azubis und Mitarbeitern.
  • Eine gelingende Integration ist aber weit mehr als die Bereitstellung eines Arbeitsplatzes.
  • Wir haben u.a. mit Daniel Linder, Prokurist bei der Konrad Linder GmbH & Co. Backwaren KG aus Feldengel, und seiner aus der Mongolei stammenden Auszubildenden, Misheel Darkhanbaatar, gesprochen.

Immer mehr Unternehmen gehen im Ausland auf die Suche nach Auszubildenden oder Fachkräften. Ganz einfach ist das nicht. Schon weil es für die, die kommen, um mehr geht als um einen Job. Doch die Unternehmer, die sich auf diese Suche einlassen, sind oft sehr zufrieden mit ihren neuen Mitarbeitern.

Ausländische Azubis sind herzlich Willkommen

Schon die Art und Weise, wie Daniel Linder, Prokurist bei der Konrad Linder GmbH & Co. Backwaren KG aus Feldengel, mit Misheel Darkhanbaatar scherzt, macht ganz unmissverständlich klar, wie sehr die 18-Jährige inzwischen in Mittelthüringen und in diesem Unternehmen angekommen ist. Dass Darkhanbaatar gleich vor eine Kamera darf und erzählen soll, was an ihren ersten Tagen in Deutschland besonders neu und aufregend war, kommentiert Linder so: „Das ist jetzt deine Gelegenheit, mal allen zu sagen, was für einen furchtbaren Chef du hast.“ Er grinst. Darkhanbaatar lacht. Nicht zum ersten Mal an diesem Vormittag. Und auch nicht zum letzten Mal.

©arifoto.com/Michael Reichel/Backwaren der „Konrad Linder GmbH & Co. Backwaren KG".

Wahrscheinlich hat dieser vertraute Umgang der beiden auch damit zu tun, dass Linder ein Familienunternehmen – die Konrad Linder GmbH & Co Backwaren KG – führt, dessen Produkte unter dem Label „Linder Tiefkühlbackwaren“ vertrieben werden. Die Beziehungen zu den Mitarbeitern sind in solchen Firmen regelmäßig tiefer und nicht auf das Dienstliche beschränkt, wie das in Großunternehmen mit hunderten oder gar tausenden Beschäftigen oft der Fall ist. Linder weiß, wie wichtig es ist, dass Darkhanbaatar sich in seiner Firma und auch in der Region möglichst gut aufgehoben, im besten Sinn des Wortes „zu Hause“ fühlt.

Hilfe für ausländische Azubis auch außerhalb der Arbeitszeit

„Das sind junge Menschen, die alleine hier sind“, sagt Linder. Deshalb könne er als Chef und Unternehmer nicht aufhören, sich nach dem Ende der Arbeitszeit um Menschen wie sie zu kümmern. Die Suche nach einer Wohnung, nach den richtigen Ärzten, die Begleitung zu Behörden und Ämtern – bei all dem bräuchten Darkhanbaatar und Menschen wie sie selbstverständlich Hilfe. Hilfe, die er und andere Mitarbeiter des Unternehmens ihr gerne zuteilwerden ließen.

Alleine ist Darkhanbaatar hier, weil sie ihre Familie in der Mongolei zurückgelassen hat, um in Deutschland, in Thüringen, bei Linder zu arbeiten. Seit 2022 wird sie hier zur Fachkraft für Lebensmitteltechnik ausgebildet; wie auch eine andere junge Frau aus der Mongolei; wobei die beiden nicht die ersten jungen Menschen aus dem Ausland sind, die Linder als Lehrlinge zu sich geholt hat. Unter anderem aus der Ukraine hat er bereits Fachkräftenachwuchs eingestellt.

Fachkräfte aus aller Welt eine Selbstverständlichkeit

Wenn Linder über diese jungen Menschen spricht – darüber, warum er sie zu sich ins Unternehmen geholt hat, darüber, welche Erfahrungen er mit ihnen gemacht hat, darüber, wie die Anwerbung lief –, dann fallen viele Sätze, die deutlich machen, für wie beinahe selbstverständlich er es hält, in einer globalisierten Welt nicht nur auf deutsche Jugendliche zu schauen, wenn es um Fachkräfte für sein Unternehmen geht.

Am bezeichnendsten dafür ist vielleicht, dass Linder aus dem Stehgreif heraus nicht genau sagen kann, welche Nationalitäten all die etwa 50 bis 60 Mitarbeiter haben, die in dem Betrieb beschäftigt sind. Stattdessen sagt er:

Daniel Linder, Prokurist des Familienunternehmens „Konrad Linder GmbH & Co. Backwaren KG“. Der Betrieb in Feldengel ist Spezialist für Tiefkühlbackwaren.

Wir differenzieren da nicht. Viel wichtiger als die Frage, wo jemand herkommt, ist doch, wie motiviert er ist.

– Daniel Linder, Prokurist bei der „Konrad Linder GmbH & Co. Backwaren KG“, Feldengel (Kyffhäuserkreis)

Die Lehrlinge in seinem Haus seien nicht Lehrlinge aus der Mongolei oder aus der Ukraine. „Das sind Lehrlinge der Firma Linder. Fertig!“ Auch das Vorurteil, dass es mit ausländischen Mitarbeitern mehr Probleme gebe als mit Deutschen, weist er vehement zurück: „Sie können mit deutschen Lehrlingen genauso Probleme haben wie mit ausländischen Lehrlingen – oder auch nicht.“

Ausländische Fachkräfte sind motiviert und leistungsbereit

Insbesondere, dass ausländische Beschäftigte oft ausgesprochen motiviert und leistungsbereit sind, das berichtet auch der Abteilungsleiter Aus- und Weiterbildung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt, Thomas Fahlbusch, aus seiner Erfahrung. „Ich kann als Unternehmer erwarten, dass ich mit solchen Menschen mutige Mitarbeiter und Auszubildende finde“, sagt er. Das liege in der Natur der Sache. Immerhin müssten nicht nur die Unternehmen, in denen sie arbeiten sollen, einige Hürden überwinden, um Menschen aus dem Ausland nach Deutschland zum Arbeiten zu holen. Auch die potenziellen Beschäftigten müssten viel leisten, ehe sie an ihrem ersten Arbeits- oder Ausbildungstag ihren Fuß durch das Unternehmenstor setzen könnten.

Die Lernbereitschaft und der Integrationswillen ist bei diesen Menschen sehr hoch, egal, wo sie herkommen.

– Thomas Fahlbusch, Abteilungsleiter Aus- und Weiterbildung der IHK Erfurt

Gleichwohl ist es nach seinen Erfahrungen oft doch etwas einfacher, Menschen aus europäischen Ländern in Deutschland zu integrieren. Das, sagt er, habe oft mit Mentalitäten und kulturellen Prägungen zu tun.

Integration steht und fällt mit unserer Willkommenskultur

Überhaupt, sagt Fahlbusch, sei die gelingende Integration der ausländischen Beschäftigten nicht nur in die Welt der Wirtschaft, sondern vor allem in die deutsche Gesellschaft der Schlüssel dazu, dass diese Menschen auch langfristig im Land blieben. „Da steht und fällt alles mit der Willkommenskultur.“ Im Freistaat, so ehrlich müsse man sein, gebe es da oft noch einiges an Verbesserungspotenzial.

„Thüringen steht bei der Fachkräfteanwerbung aus dem Ausland ja im Wettbewerb zu anderen europäischen Ländern und auch anderen Bundesländern“, sagt Fahlbusch. Und niemals dürfe man unterschätzen, wie gut die Netzwerke ausländischer Mitarbeiter in ihre Heimatländer seien. Beispiele von gelingender Integration sprächen sich so im Ausland ebenso sehr schnell und weit herum wie Fälle, in denen ausländische Beschäftigte diskriminiert oder gar attackiert würden.

Das, worauf Fahlbusch da anspielt, ist ein seit Jahren bekanntes Phänomen, gerade in Ostdeutschland beziehungsweise in Thüringen: Einerseits ist der demografische Wandel hier besonders stark zu spüren. Schon heute. Und er wird sich noch viel stärker bemerkbar machen in den nächsten Jahren. Ohne die Hilfe von ausländischen Fachkräften werden zahlreiche Betriebe in Thüringen und Ostdeutschland kaum konkurrenzfähig bleiben können. Trotzdem zeigt der Thüringen-Monitor andererseits seit Jahren, dass es große Vorbehalte unter den Menschen im Freistaat gegenüber Menschen gibt, die keinen deutschen Pass haben oder für sie zumindest so aussehen, als hätten sie keinen deutschen Pass.

Sprachbarriere: Erste und größte Hürde bei der Integration

Damit die Integration von ausländischen Mitarbeitern oder Auszubildenden in Unternehmen gelingen kann, ist es nach den Erfahrungen von Heiko Schüler vor allem wichtig, dass diese Menschen möglichst gut Deutsch sprechen – bevor sie nach Deutschland kommen. Als Geschäftsführer der FAV Service gGmbH leitet er jenes Unternehmen, das auch die beiden jungen Frauen aus der Mongolei zu Linder gebracht hat. Im Vergleich zu all den anderen Hürden, die bei der Anstellung von ausländischem Personal zu nehmen seien, sei diese Hürde die größte, sagt er. Die Bewerber müssten mindestens das Sprachniveau B2 erreichen, ehe sie nach Deutschland geholt werden könnten. „Das dauert, mindestens eineinhalb Jahre, eher zwei“, sagt Schüler.

Ein Rat, den er für Unternehmen hat, die mit dem Gedanken spielen, Menschen aus dem Ausland zu beschäftigen, ist deshalb, nicht allzu lange zu überlegen, sondern sich möglichst frühzeitig zu entscheiden, ob sie diesen Weg gehen wollen oder nicht. Eben, weil diesen Menschen für ihre Zeit in Deutschland neben einem Job eine echte Perspektive auf ein ganz neues Leben geboten werden müsse. „Ob man das hören will oder nicht: Zu viele Unternehmen haben noch die Hoffnung, dass sich schon noch jemand von hier, aus der Nachbarschaft bewirbt“, sagt Schüler.

Und das hat auch noch einen anderen Aspekt: Unternehmen – gerade solche, die das zum ersten Mal tun – brauchen Zeit, um sich auf Mitarbeiter aus dem Ausland einzustellen.

– Heiko Schüler, Geschäftsführer der FAV Service gGmbH

Für Darkhanbaatar und auch für Linder war es deshalb ein großes Glück, dass die Mutter der jungen Frau Deutschlehrerin ist und sie deshalb schon seit ihrer Schulzeit Deutsch gelernt hat. Das hat ihr das Ankommen in Deutschland wesentlich erleichtert.

Schon als Jugendliche sei sie mit zu einer Reise in Deutschland gewesen, sagt Darkhanbaatar. Ihr Eindruck damals: „Die Deutsche Bahn hat Verspätung, aber sonst ist hier alles super.“ Sie lacht wieder, als sie das erzählt. Linder mit ihr.

Informationen, Kosten und Zeit

Wenn Unternehmen überlegen, Mitarbeiter aus dem Ausland einzustellen, ist die IHK Erfurt ein guter erster Ansprechpartner – entweder, weil die Kammer eigene, passende Vermittlungsprojekte hat oder weil sie Unternehmen wie ein Lotse zu passenden Partnern führen kann. Nach Angaben des stellvertretenden Hauptgeschäftsführers der Kammer, Thomas Fahlbusch, liegen die Kosten, die einem Unternehmen pro angeworbenem Mitarbeiter entstehen, im mittleren vierstelligen Bereich – unabhängig davon, ob eine Fachkraft oder ein Auszubildender nach Deutschland geholt werden soll.

Nach den Erfahrungen des Geschäftsführers des Bildungsdienstleisters FAV Service gGmbH, Heiko Schüler, ist es ganz unterschiedlich, wie lange es dauert, einen Menschen aus dem Ausland nach Deutschland zum Arbeiten zu holen. Das sei unter anderem von dessen Deutsch-Vorkenntnissen und auch von der Arbeitsgeschwindigkeit der zu beteiligenden Behörden abhängig. „Das absolute Minimum sind vier Monate“, sagt er. „Ein dreiviertel Jahr ist nicht unüblich.“

Fahlbusch wünscht sich insbesondere von den Ausländerbehörden in Thüringen, dass diese „noch kunden- und serviceorientierter arbeiten“.

Weitere Infos zur Akquise und Integration ausländischer Fachkräfte: 

Autor: Sebastian Haak

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IHK-Experten:
Thomas Fahlbusch

Thomas Fahlbusch

Tel: 0361-3484160

E-Mail: fahlbusch@erfurt.ihk.de

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