Automobil- und Zulieferindustrie prägt den Wirtschaftsstandort
Die Automobil- und Zulieferindustrie gehört nach wie vor zu den bedeutendsten Industriebranchen in Thüringen. Laut amtlicher Statistik erwirtschaftete sie 2021 mit mehr als 14.000 Beschäftigten einen Umsatz von rund vier Milliarden Euro. Gemessen an der Thüringer Industrie insgesamt entspricht dies einem Anteil von zehn Prozent an den Industriebeschäftigten und einem Umsatzanteil von 11,3 Prozent. Darüber hinaus sind viele weitere Branchen als Zulieferer oder Entwicklungspartner eng mit der Automobilindustrie verbunden (z.B. der Maschinenbau, die Metall-, Kunststoff-, Elektro-, Textil- oder chemische Industrie sowie verschiedene Dienstleister). Insgesamt wird die Beschäftigtenzahl für den gesamten Sektor auf rund 50.000 Personen geschätzt.
Die Branche zählt damit nach wie vor zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen der Region. Doch kaum ein anderer Sektor hat in den vergangenen Jahren tiefgreifendere Einschnitte und Veränderungen erlebt. Der Umstieg auf E-Automobile oder neue Automobiltrends wie autonomes Fahren, Shared Mobility oder Connected Cars prägen die Branche und haben natürlich auch Einfluss auf die Automobilzulieferer. Der Druck wächst, zunehmend müssen sich die Betriebe umstellen, flexibler werden und neue Geschäftsfelder erschließen.
Der Transformationsprozess in der Automobil- und Zulieferindustrie ist seit vielen Jahren bedingt durch Klimaschutz und Digitalisierung bereits in vollem Gange und wurde durch die Corona-Pandemie und deren langwierige Folgen weiter beschleunigt. So war insbesondere das Jahr 2020 von massiven Produktionseinbrüchen und einem Beschäftigungsrückgang geprägt. Im Jahresvergleich 2020 zu 2019 sank die Beschäftigtenzahl um 8,4 Prozent, der Umsatz ging um 18,5 Prozent zurück.
Mit den seit Jahresbeginn 2022 durch den Krieg in der Ukraine hervorgerufenen veränderten politischen Rahmenbedingungen, der damit einhergehenden Energiekrise sowie gestörten Lieferketten bleiben die Herausforderungen für die Branche auch weiterhin enorm.
EDAG Production Solutions am Standort Eisenach erschließt neue Geschäftsfelder
Auch die EDAG Production Solutions am Standort Eisenach, als Teil der EDAG Group, hat sich das Thema „Innovation und Transformation“ auf die Fahnen geschrieben.
Seit dem Jahr 2012 ist EDAG Production Solutions (EDAG PS) am EDAG-Standort in Eisenach vertreten. Rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, des bundesweit 1.100 Mann großen Teams, beschäftigen sich hier auf modernsten CAx-Systemen mit dem Anlagenengineering. Kurzum: hochkomplexer Anlagenbau, aber auch die Optimierung von Software- und IT-gestützten Abläufen und Methoden von der Produktentwicklung über Produktion bis hin zur virtuellen Produktdarstellung in Entwicklung und Marketing gehören zum Tagesgeschäft. Die Spanne reicht von Machbarkeitsstudien über innovative Konzeptentwicklungen bis hin zur Robotersimulation und Konstruktion. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat sich zudem das Spektrum stetig erweitert: vom reinen Dienstleister im Automotive-Umfeld hin zum Partner für die Allgemeine Industrie.
Doch wie gelingt die Erweiterung der Geschäftsfelder, weg vom reinen Automotiv-Dienstleister? Dr.-Ing. Frank Breitenbach, Senior Fachexperte Planungsmethodik und Ansprechpartner rund um Industrie 4.0 und SmartFactory bei EDAG Production Solutions GmbH & Co. KG, erklärt wie´s funktioniert:
Vom Automotive-Dienstleister zum Generalisten: Transformation selbst gestalten
Die Transformation vom Automotive-Dienstleister hin zur Bearbeitung von Aufgabenstellungen in andere Branchen klingt zunächst sehr einfach, hat aber doch versteckte Fallen und Herausforderungen.
Anders als im Umfeld der Produktentwicklung von Automobilen bearbeitete EDAG PS schon seit jeher vereinzelte „Ausreißerthemen“, die aus dem weiten non-automotive-Umfeld stammten. Die Überführung vereinzelter Exoten-Projekte in ein neues Geschäftsfeld sei jedoch weitaus schwieriger.
Auch wenn Produktionssysteme generisch gut untereinander verglichen werden können, so sei das Wissen aus dem Automobilbereich nicht 1:1 auf andere Industriezweige übertragbar. Nicht nur die Produkte variieren, auch die damit verbundenen Fertigungs- und Logistikprozesse, wie zum Beispiel die Qualitätsanforderungen, eingesetzte Standards oder Anforderungen an das Fabrikgebäude seien verschieden, so Breitenbach.
1. Processes first! – Immer entlang des Wertstroms
„Durch die jahrelange Erfahrung als Automotive-Dienstleister wissen wir, dass bei jedweder Betrachtung eines Produktionssystems zu Beginn die Frage nach den zugrunde liegenden Prozessen gestellt werden muss. Aber es geht hier nicht nur um Fertigungsprozesse. Außerhalb der Automobilindustrie findet man oftmals weiße Flecken in der Prozesslandschaft. Umso wichtiger ist es hier, im Rahmen der Projekte durchgängige und schlüssige Planungs-, Engineering- und Projektmanagementprozesse einzusetzen, um ggf. Lücken schließen zu können“, erklärt der Experte der EDAG PS.
2. Automatisierung und Standards nicht um jeden Preis
„Wenn man nur einen Hammer hat, ist jedes Problem ein Nagel“, so Breitenbach. Eine echte Herausforderung sei der Umgang mit Standards und Automatisierungsgrad. Man verfällt sehr leicht in den Modus, jede Aufgabe mittels Automatisierung oder dem Einsatz von (teils hoffnungslos überdimensionierten) Standardelementen zu erschlagen.
Die Reaktion der potenziellen Kunden sei hier sehr unterschiedlich. Einige wünschen explizit die aus der Automobilindustrie bekannte Standardisierung und Automatisierung, nicht immer ist sie aber zielführend.
Transformation heißt hier vor allem Fingerspitzengefühl im Vertrieb und der Projektbearbeitung.
– Dr.-Ing. Frank Breitenbach, Senior Fachexperte Planungsmethodik und Ansprechpartner rund um Industrie 4.0 und SmartFactory bei EDAG Production Solutions GmbH & Co. KG
Neben den Möglichkeiten, eine Produktion zielgerichtet zwischen 0 und 100 Prozent zu automatisieren, setzen wir gerade auch die Methoden der virtuellen Inbetriebnahme (als Sonderform des Digitalen Zwillings) ein, um hohe Planungssicherheiten und Zeit- und Geldvorteile für den Kunden zu realisieren. Die Wege können sehr verschieden sein: „Manchmal ist es die AGV-Flotte, die einen Fertigungsbereich effizient macht, manchmal ist es die AR-Applikation, die den entscheidenden Mehrwert bringt und die Qualität wie gefordert steigert. Manchmal muss man dem Kunden aber auch davon abraten, den gewünschten MRK-Roboter einzusetzen, weil der Mensch oder der Standard-Industrieroboter mit Schutzzaun bei dieser Aufgabe schlicht besser performen“, erläutert Breitenbach.
3. Lastenhefte in Butter gemeißelt – Flexibilität und Skalierbarkeit
Projektmanagement im automobilen Umfeld sei, so der EDAG-Experte, in der Regel sehr stringent organisiert. Man berufe sich auf Standards und bearbeite das Projekt nach einem sauber definierten Lastenheft, das zugleich als Pflichtenheft dient. „Welch Luxus!“
Im Transformationsprozess gab es teilweise gar keine Lastenhefte, sondern man traf auf einen Blumenstrauß von Anforderungen, die eben nicht in Stein gemeißelt waren, sondern… in Butter.
– Dr.-Ing. Frank Breitenbach
Beitenbach erklärt: „Plötzlich hatten die Planner mit massiven Änderungen am Produkt zu rechnen, die sich teilweise in kompletten Neuplanungen der Produktion und einer deutlichen Überarbeitung von Modellen und Zeichnungen der Anlagen und Vorrichtungen niederschlagen. Ein Procedere, das förmlich nach agilem Projektmanagement schreit. Aufgrund der internen Struktur im Bereich Industrial Solutions, insbesondere der engen Verzahnung von Planung, Mechatronischem Engineering, Logistik, IT und Anlagenbau, seien die Spezialisten von EDAG PS in der Lage, Projekte vom Beratungsansatz bis zur schlüsselfertigen Fabrik (als Generalunternehmer) sehr effektiv umzusetzen.
Doch jede Transformation steht und fällt mit den Mitarbeitenden eines Unternehmens.
4. Mensch und Transformation
„Schlicht gilt: das gesamte Team muss die Transformation tragen. Hier zählt vor allem die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, neue Industriezweige kennenlernen zu wollen, sich neuen Prozessen und – manchmal – einer neuen Art zu arbeiten zu stellen“, betont Breitenbach.
Seiner Meinung nach war die wichtigste Entscheidung, die non-automotive-Projekte nicht „nebenher“ laufen zu lassen, sondern neben den „Automotive Solutions“ den Bereich „Industrial Solutions“ einzurichten und entsprechend personell auszustatten.
Ein umfangreiches internes Schulungsprogramm hatte und hat zum Ziel, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf neue Aufgaben vorzubereiten und etwaige Wissenslücken zu schließen. Zusätzlich wurde ein Umschulungsprogramm initiiert, über das in den vergangenen drei Jahren inzwischen 36 Konstrukteure im Bereich Automatisierung weiterentwickelt wurden, so dass sie nun ganzheitlich auch mechatronische Aufgaben in den Projekten (bis hin zur Projektleitung) übernehmen können.
„Erweiterte Horizonte schaden nie“
Dr.-Ing. Frank Breitenbach, Senior Fachexperte Planungsmethodik und Ansprechpartner rund um Industrie 4.0 und SmartFactory bei EDAG Production Solutions GmbH & Co. KG, schließt seine Ausführungen zum Transformationsprozess vom reinen Automotive-Engineering-Dienstleister hin zum Lösungsanbieter für die Allgemeine Industrie mit dem Satz:
Für den Erfolg des Transformationsprozesses ist es wichtig, neue Produktionswelten kennenzulernen, neue Produkte, neue Fertigungsverfahren und das eigene Know-how zielgerichtet zum Kundennutzen anzuwenden.
– Dr.-Ing. Frank Breitenbach
Der Wissenstransfer verlaufe, laut Breitenbach, nicht nur in eine Richtung: Neue Ansätze helfen, verkrustete Denkstrukturen aufzubrechen, um letztlich Produktionssysteme zu schaffen, die effizient, nachhaltig und zukunftsorientiert arbeiten.
Autor: IHK Erfurt & Dr.-Ing. Frank Breitenbach, Senior Fachexperte Planungsmethodik und Ansprechpartner rund um Industrie 4.0 und SmartFactory bei EDAG Production Solutions GmbH & Co. KG
Die EDAG Group:
1969 gründet Horst Eckert gründet in der Nähe von Darmstadt die Firma Eckart Design. Aus den sechs Mitarbeitenden ist inzwischen ein Unternehmen von rund 8.000 Expertinnen und Experten entstanden. Neben Mobilitätskonzepten bietet die EDAG Group als Technologieentwickler auch industrielle Lösungen an. Die EDAG Production Solutions GmbH & Co. KG, Tochtergesellschaft der EDAG Group, beschäftigt rund 1.100 Mitarbeitende, 30 davon in Eisenach und bündelt alle Themen und Projekte aus den Kompetenzen: Automotive Solutions, Mobility Solutions, und Industrial Solutions.
Kontakt Standort Eisenach:
EDAG Production Solutions GmbH & Co. KG
Weinbergstraße 1
99817 Eisenach
E-Mail: joachim.raff@edag-ps.com
Tel.: 03691 6922-0