Gesetzlich festgelegte Einsparziele könnten laut DIHK das BIP schrumpfen lassen
Es sollte die klimafreundliche „Gegenleistung“ für die temporäre Laufzeitverlängerung der drei noch aktiven Kernkraftwerke sein – das so genannte Energieeffizienzgesetz. Doch statt der bisher verfolgten kooperativen Effizienzpolitik geht es bei dem Vorhaben vor allem um Umsetzungspflichten für Unternehmen und die Einhaltung absoluter Einsparziele für den deutschen Energieverbrauch. Damit ist der Einbruch des Bruttoinlandsprodukts nahezu vorprogrammiert, zeigen DIHK-Berechnungen.
Energieeffizienzgesetz heißt das ambitionierte Gesetzeswerk, das Bundeskanzler Olaf Scholz im vergangenen Jahr angekündigt hatte. Die geplante Effizienzsteigerung ist grundsätzlich sinnvoll, allerdings kann die vorgesehene Limitierung des Endenergieverbrauchs zu deutlichen Belastungen für die Wirtschaftsentwicklung führen.
Energiesparen ist nicht gleich Effizienzsteigerung
Diese Einsparziele können zwar relativ einfach erreicht werden, indem man einfach auf den Energieverbrauch verzichtet, weil man zum Beispiel die Produktion stilllegt. Effizienz steigert man damit aber nicht. Um Effizienz zu erzielen, muss man nämlich nicht nur den Energieeinsatz betrachten, sondern auch die Leistung, also den Output, der erzielt wird.
Vor allem aber hat die Festlegung maximaler Endenergieverbräuche negative Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung. Die DIHK hat vier Szenarien durchgerechnet, in denen sie aufzeigt, wie sich ein verringerter Energieeinsatz auf das Bruttoinlandsprodukt auswirkt.
Dabei definiert sich die Endenergieproduktivität als Quotient aus BIP und Endenergieverbrauch.
Der Status quo bei der Energieeffizienz
©DIHK/Energieeffizienz-Gesetz-Status quo
Zwar ist es der deutschen Wirtschaft in den letzten 20 Jahren gelungen, Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch zu entkoppeln. Das mit dem Energiekonzept 2010 selbst gesteckten Ziel, die Energieproduktivität um 2,1 Prozent pro Jahr zu steigern, hat Deutschland allerdings noch nicht erreicht. Die Steigerung zwischen 2008 und 2021 lag im Jahresdurchschnitt bei 1,4 Prozent.
Würde man den Endenergieeinsatz gesetzlich festlegen, wie das Energieeffizienzgesetz es vorsieht, würde bei gleichbleibender Energieeffizienz das Bruttoinlandsprodukt schrumpfen. Das BIP würde nur steigen, wenn die Endenergieproduktivität extrem zunimmt.
Hierfür haben wir die folgenden vier Szenarien berechnet. Den Szenarien gemein ist, dass das im Entwurf des Energieeffizienzgesetzes normierte Endenergieeinsparziel von minus 26,5 Prozent im Jahr 2030 (gegenüber 2008) erreicht wird.
Vier Szenarien zur Entwicklung des Wirtschaftswachstums
©DIHK: Energieeffizienz-Gesetz: DIHK-Berechnung-Szenario I
©DIHK: Energieeffizienz-Gesetz: DIHK-Berechnung-Szenario II
©DIHK: Energieeffizienz-Gesetz: DIHK-Berechnung-Szenario III
©DIHK: Energieeffizienz-Gesetz: DIHK-Berechnung-Szenario III
©DIHK: Energieeffizienz-Gesetz: DIHK-Berechnung-Szenario IV
Einsparziele führen zu Wohlstandsverlusten
In allen vier Szenarien führt das absolute Endenergieeinsparziel (für das Jahr 2030) zu einem Wohlstandsverlust: In den Szenarien I bis III führt das zu einer faktischen Verringerung des Bruttoinlandsprodukts, im Szenario IV zu einem geringen Wachstum des BIP unterhalb der Trendfortschreibung der Jahre 1990 bis 2021.
Rein rechnerisch ließe sich die Wirtschaftsleistung zwar steigern, wenn man die Energieeffizienz drastisch steigert. Aber wie sollte dies realistisch erreicht werden? Einerseits verzeichnen wir immer mehr energieverbrauchende Prozesse und Technologien: Dazu gehört etwa die voranschreitende Digitalisierung, aber auch gesetzlich intendierte Vorhaben wie etwa mechanische Zwangsbelüftungen von Gebäuden.
Andererseits zeigt die empirische Umweltforschung, dass der Effizienzfortschritt häufig durch sogenannte Reboundeffekte gemindert wird – also einen gesteigerten Verbrauch aufgrund der vermeintlich weniger schädlichen Effekte.
Offene Fragen bei der Effizienzsteigerung
Steigende Effizienzinvestitionen und damit verbundene Energieverbrauchsreduktionen könnten möglicherweise auch zu positiven Wirtschaftseffekten führen. Hier gilt es allerdings, einige Unsicherheitsfaktoren zu bedenken: Positive Effektive für die deutsche Wirtschaft ließen sich vor allem erzielen, wenn deutsche Unternehmen zum Zuge kommen. Diese verzeichnen aktuell vor allem in den relevanten Wirtschaftszweigen allerdings materielle und personelle Engpässe.
Im Weiteren stellen sich Folgefragen, für die es aktuell häufig keine politischen Antworten gibt: Wie sollen beispielsweise gebäudespezifische Effizienzsteigerungen, also energetische Sanierungen, vor dem Hintergrund der Mietendeckelung refinanziert werden? Wie sollen Eigentümer die Kosten einer Sanierung stemmen?
Insgesamt erscheinen aus derzeitiger Sicht die absoluten Endenergieeinsparziele des geplanten Energieeffizienzgesetzes als eine ernste Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands.
Autor: Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK)