Aus Sicht der Industrie- und Handelskammer Erfurt befindet sich Deutschland an einem wirtschaftlichen Wendepunkt. Damit der Wohlstand in der Bundesrepublik gesichert werden kann, muss eine neue Regierungskoalition nach der Bundestagswahl nach Einschätzung der Kammer eine ganze Reihe wichtiger Projekte umsetzen.
Erfurt – Kein gesamtwirtschaftliches Wachstum mehr, die Überalterung der Bevölkerung vor allem in Ostdeutschland, eine zu schleppende Digitalisierung bundesweit, zu viel Bürokratie, teilweise marode Straßen, Schienen und Brücken: Dass all diese und ähnliche Probleme den Wohlstand in Deutschland gefährden, ist seit Jahren kein Geheimnis mehr, sondern immer wieder beschrieben und kritisiert worden. Nach der für Ende Februar geplanten Bundestagswahl muss es deshalb aus der Perspektive der Industrie- und Handelskammer Erfurt zu nichts weniger als einer „Politikwende auf Bundesebene“ kommen.
Diese Wende müsse Stabilität und Berechenbarkeit gewährleisten „und dabei die Wirtschaft und die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in den Mittelpunkt“ stellen, heißt es in einem Positionspapier, das die Kammer wenige Wochen vor der Wahl veröffentlicht hat und das den Titel „Vision für einen starken Wirtschaftsstandort Deutschland und Thüringen 2030“ trägt. Angesichts der großen geopolitischen Herausforderungen sei es dabei unabdingbar, „die Kommunikation zwischen Wirtschaft und Politik weiter zu intensivieren und Entscheidungen reflektierter zu gestalten“.
Auch für die Bewerber geschrieben
Mit dem Papier richtet sich die Kammer explizit auch an alle Männer und Frauen, die sich um ein Mandat als Bundestagsabgeordnete bewerben. Das Positionspapier soll nach den Vorstellungen der IHK Erfurt ein Leitfaden für diese Bewerber sein, „um die Weichen für eine wirtschaftlich starke Zukunft zu stellen“.
Eine der zentralen Forderungen des Dokuments ist die Entbürokratisierung. Wirtschaftliche Entscheidungen und wirtschaftliches Handeln würden durch viel zu viele Regulierungen behindert, heißt es in dem Papier. „Deutschland braucht angesichts der sich verändernden internationalen Rahmenbedingungen eine wettbewerbsfähige Regulierung und schnelle Genehmigungen.“ Deshalb soll es nach dem Willen der Kammer unmittelbar nach der Wahl ein sofortiges Moratorium für weitere, neue Regulierungen geben – und ein einheitliches Verfahren zur Überprüfung bestehender Regelungen. Außerdem spricht sich die Kammer in dem Positionspapier für ein sogenanntes Jahresentbürokratisierungsgesetz aus. Damit soll sichergestellt werden, dass es nicht nur einen einzigen Versuch gibt, unnötige Regularien abzubauen, sondern dass eine neue Regierungskoalition jedes Jahr aufs Neue kontinuierliche und spürbare Eindämmungen übermäßiger bürokratischer Belastungen umsetzt.
Weg von Fehlanreizen auf dem Arbeitsmarkt
Ein anderer wichtiger Punkt: Die IHK Erfurt spricht sich in ihrem Forderungspapier für massive öffentliche Investitionen in die deutsche Infrastruktur aus. Mit dem Geld müssten Straßen, Schienen und Brücken ebenso modernisiert werden wie Datenleitungen und auch die Wasserstoffinfrastruktur. „Für die Umstellung von Erdgas auf vollständig grünen Wasserstoff in den Jahren nach 2030 sind ausreichend Erzeugungskapazitäten und Pipelinenetze erforderlich“, heißt es in dem Papier.
Als eine dritte der in dem Papier insgesamt aufgelisteten zehn Kernforderungen zur Bundestagswahl spricht sich die Kammer für ein grundlegendes Umdenken in der Arbeitsmarktpolitik aus. Aus Sicht der Kammer ist auch auf diesem Politikfeld ein Umsteuern „dringend notwendig“. „Leistung muss sich wieder lohnen“, steht in dem Papier. In den vergangenen Jahren seien in der Arbeitsmarktpolitik deutlich zu viele Fehlanreize gesetzt worden, die dazu geführt hätten, dass in keinem anderen EU-Staat so wenige Arbeitsstunden geleistet würden wie in Deutschland. Die Bürgergeld-Leistungen etwa seien zu weit erhöht worden, auch die ausgedehnten Möglichkeiten zum Arbeiten in Teilzeit hätten falsche Anreize gesetzt. Um solchen Entwicklungen entgegen zu wirken, müsse nach der Bundestagswahl zum Beispiel das Teilzeitgesetz geändert werden, fordert die Kammer. „Das Recht auf Teilzeit sollte künftig wieder an konkrete Anlässe, wie zum Beispiel die Pflege Angehöriger, geknüpft werden.“
Text: Sebastian Haak
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Unter dem Titel „Vision für einen starken Wirtschaftsstandort Deutschland und Thüringen 2030. Zehn zentrale Zukunftsthemen und Forderungen zur Bundestagswahl 2025“ hat die IHK Erfurt die drängendsten Themen der Wirtschaft zusammengetragen.