Viele Unternehmer haben davon schon gehört, doch die Details sind kompliziert: Ab 2025 kommt die E-Rechnung, die wirklich jeden angeht, der unternehmerisch tätig ist. Im WiMa-Interview spricht die Fachfrau Brigitte Neugebauer darüber, wie Unternehmen bei der Einführung von E-Rechnungen am besten vorgehen, was für pdf-Dateien in Zukunft gilt – und warum elektronische Rechnungen auch die Art und Weise verändern werden, auf die in vielen Unternehmen Daten archiviert werden. Neugebauer ist Fachanwältin für Steuerrecht und arbeitet als Referatsleiterin für Umsatzsteuer und Verfassungsrecht bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer.
Frau Neugebauer, nach ihren Erfahrungen: Wie sehr hat sich in der deutschen Wirtschaft bislang rumgesprochen, dass 2025 die elektronische Rechnung eingeführt wird?
Neugebauer: Das ist unterschiedlich. Größere oder IT-affine Unternehmen sind an diesem Thema sehr interessiert und wissen bereits sehr viel. Bei kleineren Unternehmen ist das häufig nicht der Fall. Allerdings merken wir, dass sich das Thema zunehmend herumspricht.
Was ist eine elektronische Rechnung überhaupt?
Neugebauer: Das ist eine Rechnung, die in einem strukturierten, elektronischen Format ohne Medienbruch ausgetauscht und verarbeitet wird. Bislang galten auch pdf-Dateien, die ein Unternehmen per E-Mail verschickt hat, als E-Rechnungen. Das ändert sich zum 1. Januar 2025. Denn ab dann gibt es neue gesetzliche Regelungen…
… die auf EU-Recht zurückgehen, richtig?
Neugebauer: Im weitesten Sinne, ja, denn auf europäischer Ebene soll die elektronische Rechnungsstellung bis zum Ende dieses Jahrzehnts eingeführt werden.
Und einfache pdf-Dateien gelten damit ab dem Jahr 2025 nicht mehr als elektronische Rechnung?
Neugebauer: Richtig, das reine pdf-Dokument gilt ab dem 1. Januar 2025 nicht mehr als elektronische Rechnung. Es gibt aber hybride Formate, wie das ZUGFeRD-Format, die eine Kombination aus strukturierten Daten und pdf-Dokument sind. Die können weiter genutzt werden. Bei den strukturierten Daten stellen die neuen Regelungen die europäische Norm EN 16931 in den Fokus. Die ist manchen Unternehmen aus der Rechnungsstellung an den Bund bekannt. Schon seit Ende 2020 müssen Unternehmen, die Leistungen gegenüber dem Bund abrechnen, sich an diese Norm für ihre elektronischen Rechnungen halten.
Wer muss also ab 2025 mit elektronischen Rechnungen arbeiten?
Neugebauer: Alle Unternehmen müssen zukünftig E-Rechnungen ausstellen, wenn Sie eine Leistung abrechnen, die sie gegenüber einem anderen Unternehmen erbracht haben. Das heißt auch, dass alle Unternehmen sie empfangen können müssen. Es gibt aber eine zeitliche Staffelung: Ab dem 1. Januar 2025 wird es für Unternehmen zunächst nur verpflichtend, E-Rechnungen empfangen zu können. Ab 2028 müssen alle Unternehmen untereinander elektronische Rechnungen nutzen, ab dann gilt also auch eine Versandpflicht. Schon ein Jahr früher greift diese Pflicht für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 800.000 Euro.
Und wer genau gilt als Unternehmer im Sinne der neuen Regelungen?
Neugebauer: Mit Unternehmen sind hier grundsätzlich wirklich alle Unternehmen gemeint, also auch Kleinunternehmer, auch Freiberufler, auch Unternehmen, die als UG oder eK firmieren. Diese Pflicht der elektronischen Rechnungen trifft jeden, der unternehmerisch tätig ist. Das hat nichts mit der gewählten Rechtsform zu tun. Diese Pflicht gilt für alle Umsätze, die in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig sind.
Für wen gilt diese Pflicht nicht?
Neugebauer: Keine Pflicht, eine E-Rechnung auszustellen, besteht bei sogenannten Kleinbetragsrechnungen bis 250 Euro Gesamtbetrag und bei Fahrausweisen. Keine Pflicht gilt auch zukünftig dann, wenn es um Leistungen gegenüber Endkunden geht. Wer also zum Beispiel einer Privatperson etwas verkauft, der muss dafür auch in Zukunft keine eRechnung ausstellen. Für solche Fälle kann auch in Zukunft eine Papierrechnung erstellt oder auf pdf-Dateien zurückgegriffen werden. Aber auch Unternehmen, die ihre Leistungen nur gegenüber Endkunden erbringen, sind natürlich von der Empfangspflicht ab dem 1. Januar 2025 betroffen. Selbst ein Friseur, der nur Privatkunden die Haare schneidet, muss sich deshalb mit der E-Rechnung auseinandersetzen, weil er seine Schere, seine Umhänge oder sein Shampoo, die er für seine Tätigkeit braucht, ja von anderen Unternehmen bezieht, die nun E-Rechnungen nutzen können – und ab 2028 auch müssen.
Anders ausgedrückt: Die E-Rechnung geht alle an.
Neugebauer: So ist es.
Wenn ich nun ein Unternehmer bin und mich noch nie mit dem Thema elektronische Rechnungen auseinandergesetzt habe, wie fange ich am besten mit deren Einführung bei mir an?
Neugebauer: Am besten schaut man zunächst, welche Software im eigenen Unternehmen bereits eingesetzt wird. Selbst kleine Unternehmen nutzen oft Rechnungsprogramme. Einige dieser Programme bieten Möglichkeiten, relativ schnell auf eRechnungen umzustellen oder bieten das bereits an. Wer als Unternehmer seine Rechnungen bislang mit Textverarbeitungsprogrammen erstellt und elektronisch übermittelt hat – das war aus Sicht der Finanzverwaltung übrigens schon bislang eher kritisch – der muss sich in jedem Fall mit neuer Software auseinandersetzen, denn Textverarbeitungsprogramme reichen in Zukunft definitiv nicht mehr, um elektronische Rechnungen zu erstellen.
Wer einen Steuerberater hat, der sollte sich auch mit ihm zusammensetzen, um darüber zu reden, welche neue Software zur Erstellung von elektronischen Rechnungen am besten eingesetzt werden sollte. Und schließlich sollte man sich seine Kunden anschauen und auch mit denen darüber reden, ob sie die Nutzung einer bestimmten Software bevorzugen. Wer viele Endkunden hat, für den ist es bestimmt eine gute Idee, auf ein hybrides Format zu setzen, bei dem eben auch pdf-Dateien parallel zu den strukturierten Datensätzen erstellt werden können.
Moment: Warum sollte ich mich als Unternehmer mit meinen Kunden darüber verständigen, welche Software ich zur Erstellung von elektronischen Rechnungen verwende? Sollten die Daten durch E-Rechnungen nicht so standardisiert aufgebaut sein, dass sie untereinander kompatibel sind, sodass es eben keine Rolle spielt, mit welchem Programm eine E-Rechnung erstellt worden ist?
Neugebauer: Es gibt technische Unterschiede in den Standards wie ZUGFeRD und XRechnung. Viele Rechnungsprogramme unterstützen aber mehrere Standards. Wenn man sich – etwa aus Kostengründen – für keines dieser Programme entscheiden möchte, sollte man sich mit Kunden aber auch Zulieferern verständigen. Man muss jetzt eine mittelfristig zukunftsweisende Entscheidung treffen und für die kann die Kunden- und Zuliefererstruktur hilfreich sein. In jedem Fall müssen die Stammdaten künftig gut gepflegt sein, damit die Rechnungsstellung reibungslos läuft.
Klingt nicht so, als könnte man davon ausgehen, dass der Start der E-Rechnung in Deutschland wirklich reibungslos laufen wird…
Neugebauer: Ich glaube, dass es am Anfang durchaus ruckeln wird. Aber da es, ab dem 1. Januar 2025 für Unternehmen zunächst ja nur die Empfangspflicht gibt, werden bestimmt noch nicht alle Unternehmen ihre Rechnungen auch elektronisch versenden, wodurch das Ruckeln vielleicht nicht allzu schlimm wird. Einige Unternehmen warten geradezu sehnsüchtig darauf, endlich eRechnungen verschicken zu können. Viele andere werden da deutlich zurückhaltender sein. Trotzdem sollten sich alle Unternehmen ab dem Beginn des neuen Jahres zumindest ein separates E-Mail-Postfach einrichten, das nur für den Empfang von elektronischen Rechnungen genutzt wird.
Mit welchen Kosten müssen Unternehmen für die Einführung der E-Rechnung rechnen?
Neugebauer: Das wird sehr unterschiedlich sein. Dass die Einführung der eRechnung ohne Zusatzkosten funktioniert, kann ich mir bei den wenigsten Unternehmen vorstellen. Gerade diejenigen, die bislang Textverarbeitungsprogramme genutzt haben, um Rechnungen zu erstellen, werden mit zusätzlichen Ausgaben rechnen müssen. Auf der anderen Seite darf man aber auch nicht vergessen, dass durch die Einführung der eRechnung auch Kosten zum Beispiel für Porto oder Druck eingespart werden können – ganz zu schweigen von einer vielleicht sogar erheblichen Zeitersparnis, wenn durch die Einführung von eRechnungen in Zukunft automatisch abgeglichen werden kann, welche Rechnung schon bezahlt ist, welche nicht und die Daten direkt für die Erstellung der Steuererklärung zur Verfügung stehen.
Also wird die eRechnung die Art der Buchhaltung in vielen Unternehmen nachhaltig verändern?
Neugebauer: Davon gehe ich aus, ja. Hinzukommt, dass Unternehmen, die jetzt die eRechnung bei sich einführen, auch dafür sorgen müssen, die Daten so sicher zu archivieren, dass sie mindestens zehn Jahre lang geschützt sind und zum Beispiel für Betriebsprüfungen zur Verfügung stehen. Dafür reicht es nicht aus, dass die Daten auf einer Festplatte oder einem Server abgespeichert werden. Unternehmen müssen ein geschütztes Dokumentenmanagementsystem, kurz DMS, einrichten, dass keinerlei Änderungen an den Daten zulässt. Es gibt verschiedene Lösungen für unterschiedliche Bedürfnisse am Markt. Vor dem Kauf eines Produkts sollten Unternehmen – wie auch bei einem neuen Rechnungsprogramm – genau überlegen, welche ganz konkreten betrieblichen Anforderungen, welche Dokumente und welche Geschäftsprozesse im Betrieb bestehen – und sich dann für eine passgenaue Lösung entscheiden.
Interview: Sebastian Haak