In Thüringen treten immer wieder unterschiedlichste Störungen der Stromversorgung und der Stromqualität auf, die bei Thüringer Unternehmen bereits zu Produktionsausfällen und finanziellen Mehrbelastungen geführt haben. Außerdem berichten sowohl große Verbraucher als auch Erzeuger aus verschiedenen Regionen Thüringens, dass sie von den Netzbetreibern nicht mehr ans Netz angeschlossen werden können – zumindest bis dieses verstärkt oder ausgebaut ist. Die Gründe für diese Entwicklungen sind sehr vielfältig, ebenso wie ihre Lösungsansätze.
Versorgungsunterbrechungen im Freistaat Thüringen
Eine Umfrage aus dem Frühjahr 2024 verrät, dass 37 Prozent der 230 antwortenden Unternehmen schon von Stromausfällen von über drei Minuten betroffen waren, während 49 Prozent der Befragten Stromausfälle unter drei Minuten zu verzeichnen hatten. Letzteres ist besonders relevant, da Versorgungsunterbrechungen von weniger als drei Minuten von den Netzbetreibern zwar erfasst, aber laut § 52 Energiewirtschaftsgesetz nicht veröffentlicht werden müssen und daher meist gar nicht sichtbar werden.
Gründe für solche Versorgungsunterbrechungen sind beispielsweise atmosphärische Ereignisse wie Blitzeinschläge, Stürme, starke Schneefälle oder Raureif sowie technische Defekte aller Art. Gerade wetterbedingte oder durch Dritte verursachte Beschädigungen des Stromnetzes sind vom Netzbetreiber nicht zu beeinflussen. Umso wichtiger ist es, dass sich Stromkunden auf mögliche Ausfälle beziehungsweise Stromschwankungen vorbereiten. Möglich ist das zum Beispiel mit dem Einbau einer USV-Anlage, die die unterbrechungsfreie Stromversorgung sichert, indem sie in kritischen Situationen sofort eine Energiequelle bereitstellt.
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Stellen Sie Ihre Fragen im Rahmen des monatlich stattfindenden Online-Forums Innovation, Umwelt, Energie. Hier stehen die Experten der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt – Livanur Pektas, Antje Welz und Karsten Kurth – Rede und Antwort zu Ihren Anliegen.
Nächster Termin: 29. August 2024 | 11:00-12:00 Uhr
Herausforderungen und Chancen in der Stromversorgung
Drei grundsätzlichen Herausforderungen, die gleichzeitig Chancen in sich bergen, sind in den nächsten Jahren zu lösen. Die Verantwortung für eine sichere Stromversorgung liegt nicht nur bei den Netzbetreibern, sondern auch bei staatlichen Stellen und Unternehmen. Sie alle tragen Verantwortung, sind von den Herausforderungen betroffen und an den Lösungen beteiligt.
- Netzausbau – Wir laufen immer mehr in ein Defizit beim Ausbau der Netze – auf allen Spannungsebenen, insbesondere aber im Bereich der Verteilnetze. Als Folge dieser Entwicklung werden Unternehmen in einigen Regionen von Netzbetreibern zurückgewiesen, wenn sie eigene Energieanlagen ans Netz anschließen wollen oder für ihre Produktionserweiterung zusätzliche Kapazitäten benötigen.
- Digitalisierung und Automatisierung – Digitalisierung und Automatisierung bieten viele Chancen für das Energiesystem, bringen aber auch Herausforderungen für Versorger, Netzbetreiber und Verbraucher mit sich. Ein häufiges Problem ist, dass automatisierte und digital gesteuerte Anlagen empfindlicher auf Netzstörungen reagieren. Der permanente Datenaustausch zwischen Anlagen, Systemen, Erzeugern, Verbrauchern und Netzen ist entscheidend für die Versorgungssicherheit. Zudem wird Cybersicherheit immer wichtiger, um diesen Austausch zu schützen.
- Netzfinanzierung und Kosten – Vor allem die finanzielle Situation des Stromnetzes ist entscheidend für die Versorgungssicherheit in Thüringen. Laut einer Studie des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) werden bis 2030 etwa 126 Milliarden Euro für den Netzausbau benötigt. Das wiederum kann zu höheren Stromkosten führen. Besonders betroffen davon sind ländliche Gebiete, wo die Netzausbaukosten generell höher sind.
Lösungsansätze für die Herausforderung einer stabilen Stromversorgung
Die Herausforderungen der stabilen Stromversorgung erfordern ganzheitliche Lösungsansätze über alle Bereiche der Energieversorgung hinweg. Diese umfassen gesellschaftliche Aspekte, wie die Veränderung von Nutzungsverhalten, eine spürbar steigende Sensibilität gegenüber der Rolle von Energie im täglichen Leben, über gesetzliche Rahmenbedingungen seitens der europäischen Union, des Bundes und der Länder bis hin zu technischen Entwicklungen. Marktprinzipien und der europäische Binnenmarkt haben während der Energiekrise ihre Wirksamkeit bewiesen, benötigen jedoch langfristige Preisstabilität und Anreize für erneuerbare Energien. Der Ausbau des europäischen Energiebinnenmarktes und der Grenzkuppelstellen sind wichtig, um die Widerstandsfähigkeit des Stromnetzes zu erhöhen. Auch sollte eine Anpassung des §14 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) vorgenommen werden, sodass auf Spannungseinbrüche unter drei Minuten reagiert werden kann. Eine Auskunftspflicht zur Netzqualität für Netzbetreiber einzuführen, würde außerdem ermöglichen, dass Unternehmen ihre Firmennetze besser schützen und zusätzliche Kosten durch netzbedingte Produktionsausfälle vermeiden können. Einen weiteren Lösungsansatz stellen teilautomatisierte Störungsmanagement-Systeme und ein verbessertes Blindleistungsmanagement dar, da diese die Netzqualität sichern können. Wichtig für eine stabile Stromversorgung sind auch präzise Prognosen von Wetter- und Verbrauchsmustern.
Netzausbau bleibt zentral für die Energiewende
Dieser Ausbau umfasst jedoch nicht nur neue Leitungen und Netzverstärkungen, sondern auch die Modernisierung von Netzbetriebsmitteln. Die Überwachung der Netztemperatur und Umgebungsbedingungen kann die Netzbelastung während Hochlastperioden optimieren. Verzögerungen im Netzausbau entstehen weniger durch technische Hürden, sondern hauptsächlich durch langwierige Genehmigungsverfahren und Rechtsstreitigkeiten. Bis der Netzausbau abgeschlossen ist, werden daher effektive Übergangsstrategien benötigt, um eine stabile Stromversorgung zu gewährleisten. Unternehmen könnten beispielsweise ihren Leistungsbezug in Niedriglastzeiten verlagern oder auf verbesserte Eigenstromversorgung setzen. Zusätzlich könnten vor Ort Energieversorgungsanlagen oder Speicher installiert werden, um die eigene Flexibilität zu erhöhen. Angesichts hoher Kosten und veränderter Marktbedingungen ist die Diskussion über die Netzfinanzierung unabdingbar. Maßnahmenvorschläge hierzu umfassen die Weiterentwicklung der Anreizregulierung, finanzielle Entlastung der Verteilnetzbetreiber (VNB) durch Investitionsförderung, variable Netzentgelte sowie die Einführung von Einspeisenetzentgelten und Quersubventionierung.