Stimmen aus Handel und Gastronomie über das Stadtleben in „heißen Zeiten“
Wer im Hochsommer mit dem Fahrrad aus dem Umland nach Erfurt pendelt, merkt es sofort: Die Luft wird trockener, die Temperaturen steigen – und in der Innenstadt ist es oft bis zu fünf Grad wärmer. Die Ursache: Versiegelte Flächen und dichte Bebauung verwandeln Städte in regelrechte Wärmespeicher. Beton speichert die Sonnenhitze und gibt sie nur langsam wieder ab – vor allem nachts. So entstehen die berüchtigten „Tropennächte“, die vielen den Schlaf rauben. Diese Hitzewellen sind längst kein Ausnahmephänomen mehr. Der Klimawandel macht sie zur neuen Realität – ebenso wie Starkregen und ausgedehnte Trockenperioden.
Wenn es auf die 30 Grad zugeht
Besonders die Innenstadt bekommt die Folgen der zunehmenden Hitze zu spüren – mit direkten Auswirkungen auf das Leben, Arbeiten und Wirtschaften. Denn: Hitze belastet den Körper, beeinflusst unsere Alltagsgewohnheiten und stellt auch die lokale Wirtschaft vor neue Herausforderungen.
Susanne Weber, Betreiberin des traditionsreichen „Eiscafé San Remo“, hat in 33 Jahren viele Sommer erlebt:
„Die heißen Tage nehmen deutlich zu. Ab 30 Grad wird es ruhiger, selbst bei uns im Eiscafé. Viele kommen erst am Abend, wenn es etwas abgekühlt ist.“
Auch das Personal brauche dann mehr Pausen, weshalb auch bei weniger Betrieb der Personaleinsatz konstant bleibt. Besonders mitfühlend äußert sie sich zur Lage auf dem Domplatz:
„Da brennt die Sonne richtig runter – wer will sich da bei wenig Schatten aufhalten?“
Immerhin: Seit der BUGA 2021 und dem UNESCO-Welterbetitel 2023 seien auch an heißen Tagen wieder mehr Gäste in der Stadt unterwegs.
Zwischen Bäumen und Brunnen: Das Mikroklima zählt
Auch Bernhard Schmidtmann vom Kinderbuchladen „Tintenherz“ auf der Krämerbrücke und weiß um den Wert eines angenehmen Mikroklimas:
„Der Schatten der Bäume und das Wasser wirken wie eine natürliche Klimaanlage – das ist Gold wert.“ „Selbst hier im Laden direkt über dem Fluss ist das Arbeiten bei Hitze noch angenehm.“
Dennoch sind die Umsätze an heißen Tagen rückläufig. Sein Appell: Mehr Aufmerksamkeit für die zahlreichen öffentlichen Trinkbrunnen – und ganz wichtig: eine Verkehrsberuhigung rund um Wenigemarkt und Rathausbrücke.
Lieber Hitze als Starkregen?
Christian Wetzel, Betreiber des „Café & Restaurant Nüsslein“, profitiert von der schattigen Lage an der Ägidienkirche. Für ihn ist nicht die Hitze das größte Problem – sondern Starkregen:
„Nach einem Platzregen bleibt draußen niemand mehr sitzen.“
Auch hier verlagert sich der Hauptbetrieb an heißen Tagen in die kühleren Abendstunden. Gastronomen, die keinen Freisitz vorhalten, sind an warmen Sommertagen klar im Nachteil.
Ein Wunsch vereint: Mehr Schatten für die Stadt
Ob Gastronomie oder Einzelhandel – alle befragten Stimmen wünschen sich mehr Grün in der Innenstadt. Wenn Baumpflanzungen nicht möglich sind, könnten mobile Kübelbäume Abhilfe schaffen. Die bisherigen Maßnahmen zur Steigerung der Aufenthaltsqualität werden positiv bewertet.
Patricia Stepputtis, Citymanagerin der Stadt Erfurt, nimmt das Feedback dankend auf:
„Gerade an heißen Tagen konkurriert die Innenstadt mit Parks, Wäldern und Badeseen. Dabei bieten wir bereits schöne Rückzugsorte – nur eben selten direkt an den Einkaufsstraßen.“
Für sie ist klar:
„Wir müssen neue Wege finden, um Menschen zu motivieren, ihre Freizeit auch an heißen Tagen in der Stadt zu verbringen.“
Dabei gehe es um mehr als Klimaanpassung – auch um Nachhaltigkeit, Lebensqualität und Angebote, die für alle zugänglich sind – wie konsumfreie Sitzgelegenheiten.
Hilfreiche Informationen, Tipps und Angebote zum Thema Hitzeschutz stellt die Stadt im Hitze-Portal Erfurt bereit.
Erfurt bleibt attraktiv – trotz Klimawandel
Trotz aller Herausforderungen behauptet sich Erfurt unter Deutschlands vitalen Innenstädten. Das zeigt auch die IFH-Studie „Vitale Innenstädte 2024“: Erfurt liegt in seiner Größenklasse erneut auf Platz 1. Fast 55 % der Besuchenden verweilen über zwei Stunden in der Stadt. Über zwei Drittel gaben an, genauso häufig vor Ort einzukaufen wie vor dem Onlineboom. Ein starkes Zeichen: Die Menschen halten ihrer Innenstadt die Treue – und motivieren alle Beteiligten, sich weiterhin engagiert für ein lebendiges Erfurt einzusetzen.
Unterstützung bei Hitze – Diese Angebote helfen weiter