„Sorge bereitet mir das in Teilen widersprüchliche Agieren unserer Bundesregierung“

©ihk/ IHK-Präsident Dieter Bauhaus
IHK-Präsident Dieter Bauhaus
Warum sollte ich diesen Artikel lesen?
  • Im Interview mit der WiMa-Redaktion lässt IHK-Präsident Dieter Bauhaus das vergangene Jahr Revue passieren und gibt einen Ausblick auf 2023.
  • Er spricht über die aktuellen Herausforderungen für die regionale Wirtschaft, von der Energiekrise über die angespannte Fachkräftesituation bis zu aktuellen Themen den Wirtschaftsstandort betreffend.
  • Bauhaus ermutigt die Unternehmer und macht klar: In jeder Krise steckt auch eine Chance!

Mit welchen Gedanken blicken Sie auf das zurückliegende Jahr 2022 zurück?

IHK-Präsident Dieter Bauhaus: Meine Gedanken zu 2022 sind ambivalent. Dass dieses Jahr von einem Krieg und solch multiplen Krisen geprägt ist, hätte ich zumindest in der Dimension nicht erwartet. Dies nötigt mir erneut größten Respekt vor den Unternehmen ab und läßt mich dankbar und auch ein Stück optimistisch sein. Unsere Unternehmen im Kammerbezirk übernehmen auch in diesen stürmischen Zeiten Verantwortung, sind für ihre Mitarbeiter da und glauben an unseren Wirtschaftsstandort. Mit Herzblut, Durchhaltevermögen und Mut steuern sie ihre Unternehmen, denken an das Morgen und investieren in die Zukunft. Das macht Unternehmertum aus.

Vor allem bin ich aber auch auf die rund 2.600 Unternehmer und Mitarbeiter stolz, die sich ehrenamtlich für die IHK Erfurt engagieren. Ohne sie wären die Kammerorganisation, die Sicherung von Ausbildung und eine wirtschaftspolitische Interessenvertretung nicht möglich. Große Sorge hingegen bereitet mir das in Teilen widersprüchliche Agieren unserer Bundesregierung in einer Zeit, in der klare Orientierung und Mut zur Entscheidung angebracht gewesen wären.

In jeder Krise stecken auch Chancen. Das haben wir als krisenerprobtes Land in den letzten 20 Jahren mehrfach bewiesen.

IHK-Präsident Dieter Bauhaus

Die große Chance, mit Tempo und Nachdruck unsere Energieversorgung in einer für die Unternehmen zumutbaren und gleichzeitig notwendigen Weise umzubauen, hat die Politik allerdings leider nicht genutzt, zumindest noch nicht.

– Dieter Bauhaus, Präsident der IHK Erfurt

Auch wird das ewige Versprechen, Bürokratie abzubauen, mittlerweile der Lächerlichkeit preisgegeben. Ich kenne niemanden, der mit dieser Entlastung in den Betrieben noch ernsthaft rechnet. Am Ende ist die Last der Bürokratie wettbewerbsfeindlich. Das ist schade und macht mich nachdenklich.

Was erwarten Sie für das kommende Jahr 2023?

IHK-Präsident Dieter Bauhaus: Ich bin voller Erwartungen für das kommende Jahr. Es gibt so viel zu tun, dass wir endlich anfangen müssen. Es fehlen Fachkräfte an allen Ecken und Enden, wir müssen unsere Energielandschaft umbauen, ohne das Klima in dem vergangenen Maße weiter zu schädigen, wir müssen in einer gemeinsamen Anstrengung diesen Winter und auch den darauf folgenden gut überstehen, das Problem gestörter Lieferketten muss gelöst werden, ohne dass Wirtschaft mit unrealistischen Nachweispflichten der eigenen Lieferkette überfordert wird, wir müssen Gründungen und Nachfolgen attraktiver machen, wir müssen die Industrie und den Handel bei der Transformation begleiten.

Die Liste ist lang. Das alles wird aber nicht ohne neues Vertrauen in Politik funktionieren. Und Politik muss in einer Art und Weise kommunizieren, dass auch jeder versteht, wie es weiter geht und aus welchen Gründen Entscheidungen wie getroffen werden.

Welchen Beitrag kann die IHK Erfurt leisten, um dem aktuellen Fachkräftemangel zu begegnen?

IHK-Präsident Dieter Bauhaus: Konkret unterstützen wir Unternehmen im Bereich der Azubi-Akquise aus Drittstaaten, zum Beispiel seit vielen Jahren der Ukraine, neuerdings auch aus der Mongolei und Aserbaidschan sowie bei Rekrutierung von qualifizierten Fachkräfte aus dem Ausland.

Große Hoffnungen setze ich in die Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG). Die grundsätzliche Überlegung, internationale Fachkräfte aus nicht-EU-Staaten schneller ins Land zu holen, Sprache und Integration hier vor Ort in Angriff zu nehmen, klingt vielversprechend. Voraussetzungen dafür müssen aber sein, dass die Bürokratie entschlackt, Behördenstrukturen konzentriert und mehr Verwaltungspersonal dafür eingesetzt wird.

Wir fordern seit 2020 auch die Einrichtung einer zentralen Ausländerbehörde für Thüringen im Zusammenhang mit dem „Beschleunigten Fachkräfteverfahren“ mit dem Ziel, einheitlichere, berechenbarere, transparentere und schnellere Entscheidungen über den Zuzug von internationalen Fachkräften zu erreichen. Hier muss die Landesregierung für sich klären, welche Strategie sie verfolgt und zügig agieren, weil wir sonst in die nächste Krise laufen. Wir können nur erfolgreich sein, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind.

Bleibt uns die Energiekrise in 2023 erhalten?

IHK-Präsident Dieter Bauhaus: Die Krise bleibt vorerst. Wir leisten deshalb weiterhin Hilfestellung und bieten den Unternehmen Beratungen rund um die Themen Energieträgerwechsel (fuel switch), Energieeffizienzmaßnahmen, langfristige Versorgungsstrategien und Eigenversorgung mit Erneuerbaren in den Unternehmen.

Auch unsere erfolgreiche Kampagne #WirtschaftBrauchtEnergie werden wir fortführen und hierüber die Interessen unserer Mitgliedsunternehmen artikulieren. Einige unserer Forderungen wurden bereits von der Politik aufgenommen: Erfreulicherweise gelten die Preisbremsen für Gas und Strom bereits ab Januar und nicht erst nach der Heizperiode, wie es anfangs angedacht war. Wie diese Preisbremsen wirken, werden wir noch sehen.

Fakt ist, die gestiegenen Energiekosten werden sich erst nächstes Jahr richtig in den Bilanzen der Unternehmen bemerkbar machen. Erst gegen Ende 2023 werden wir seriös beurteilen können, wie stark die Energiekrise die Wirtschaft belastet. Wichtig ist mir aber, dass die Antworten der Preisinstabilitäten wieder stärker marktorientiert sein müssen und weniger eingriffsorientiert. Die Marktwirtschaft ist schließlich das Fundament unseres Wohlstands und soll es auch bleiben.

Wie steht es um die Internationalisierung der Thüringer Wirtschaft?

IHK-Präsident Dieter Bauhaus: Die muss und wird weiter voranschreiten, auch wenn das Auslandsgeschäft zum Beispiel durch das zum Jahresanfang in Kraft tretende Lieferkettensorgfaltsgesetz nicht einfacher wird. Wir beraten die Unternehmen speziell zu diesen Herausforderungen und leisten Unterstützung bei den Fragen der Umsetzung neuer Regelungen.

Zu Beginn 2023 werden die neuen Sorgfaltspflichten bei den Lieferketten eine große Rolle spielen. Mit Hilfe des internationalen Netzwerks der Auslandshandelskammern und des Enterprise Europe Network (EEN) hier am Standort beraten und unterstützen wir alle Unternehmen, die im Ausland tätig sind oder tätig werden wollen.

Ein Schwerpunkt am Jahresbeginn sind Informationsveranstaltungen sowie Seminare zu den Änderungen im Zoll- und Außenwirtschaftsrecht. Auch wenn sich bei den Lieferketten teilweise eine leichte Entspannung abzeichnet, beobachten wir, dass Unternehmen gerade bei wichtigen Vorprodukten aus kritischen Regionen eine Abkehr von „Just-in-time“ und hin zur traditionellen Lagerhaltung vollziehen. Die IHK Erfurt wird sich unter anderem im Bereich hoheitlicher Aufgaben der Außenwirtschaft weiter digitalisieren und im Laufe des Jahres das eCarnet einführen, um temporäre Ausfuhren in Drittländer zu vereinfachen.

Welche Standortthemen werden wir in Thüringen in 2023 auf dem Tisch haben?

IHK-Präsident Dieter Bauhaus: Die Standortthemen werden ebenfalls krisengeprägt sein. In der Raumordnung wird es beispielsweise um mehr Flächen für Erneuerbare Energie gehen und möglicherweise auch um die Erschließung heimischer Energieträger. Das Verkehrsgewerbe wird die Mauterhöhung, gestiegene Spritkosten und Umbrüche beim ÖPNV und der Mobilität generell spüren. Der stationäre Handel steht nach Corona und im Zuge der Energiekrise mitten in einem beschleunigten Transformationsprozess, den wir als IHK Erfurt nun mit der Gründung einer professionellen Geschäftsstelle des Thüringer Aktionsbündnisses „Innenstädte mit Zukunft“ eng begleiten.

Auch das Thema Flächennutzung bleibt. Wirtschaft braucht Fläche. Das gilt für größere zusammenhängende Flächen für Neuansiedlungen und auch für Erweiterungen der Bestandsflächen. Auch die Frage, ob und wie sich Gewerbe- und Industriegebiete eigenständig mit Energie versorgen, wird immer dringender. Und nicht zuletzt gehört auch die Beratung und Unterstützung bei Unternehmensnachfolgen zu unserem Kernthema. Dabei geht es nicht nur um Attraktivität bei Gründungen, sondern auch um die erwartbare Frage in 2023, wie gehen wir mit einem möglichen, krisenbedingten Rückgang unternehmerischer Tätigkeit um. Der kommende Winter wird zur Nagelprobe und wir wissen noch nicht, in welche Richtung es nächstes Jahr für unsere Unternehmen gehen wird.

Erwartungen 2023:

Uwe Maurer, Werkleiter Nordbrand Nordhausen GmbH

Wir befinden uns aktuell in einem nie dagewesenen multiplen Krisenumfeld. Wesentliche Auswirkungen sehen wir vor allem bei der Verfügbarkeit von Roh- und Hilfsstoffen sowie bei Preissteigerungen. Diese Effekte werden uns weiterhin begleiten – ich gehe davon aus, dass auch die nächsten sechs bis zwölf Monate sehr herausfordernd werden. Die schnellen Anpassungen, die wir seit Anfang des Jahres als Reaktion auf die volatile Situation eingeführt haben, geben uns bei Nordbrand Nordhausen Stabilität und ermöglichen es, unsere Zukunft weiterhin aktiv zu gestalten.

– Uwe Maurer, Werksleiter Nordbrand Nordhausen GmbH
Lena Lüneburger, Geschäftsführerin der Werkzeugbau Ruhla GmbH.

Hinter uns liegt kein einfaches Jahr. Wir alle hoffen, dass es besser wird. Vor allem brauchen wir eine politische Stabilisierung. Ich hoffe, dass die deutsche Wirtschaft das Jahr 2023 trotz aller Herausforderungen der aktuellen Zeit gut meistert und wünsche uns allen Frieden, Optimismus, Gesundheit und Durchhaltevermögen!

– Lena Lüneburger, Geschäftsführerin Werkzeugbau Ruhla GmbH
Peter Zaiß, Geschäftsführer SWE Stadtwerke Erfurt GmbH

Energiekrise, Störungen von Lieferketten und Fachkräftemangel waren im Jahr 2022 die großen Herausforderungen für Unternehmen und Politik, die auch im neuen Jahr noch präsent sein werden. Ich erwarte von der Politik einen verlässlichen und stabilen Gesetzes-Rahmen, der den Unternehmen eine kalkulierbare Zukunft ermöglicht. Denn ohne Wirtschaft ist auch kein Sozialstaat mit seinen Errungenschaften haltbar und das Gemeinwesen gefährdet!

– Peter Zaiß, Geschäftsführer SWE Stadtwerke Erfurt GmbH
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