Wie gelingt die Umstellung des Unternehmens im Sinne des sogenannten „New Work“ ohne Performance zu verlieren? Wie vermeide ich, meine Beschäftigten zu demotivieren und wie gehe ich als Chef an die Sache ran? Wir haben mit einem gesprochen, der sich schon seit einigen Jahren auf den Weg gemacht hat, den eigenen Familienbetrieb umzustrukturieren – Sven Lindig, Geschäftsführer der LINDIG Fördertechnik GmbH mit Hauptsitz in Eisenach.
Sie sind seit einigen Jahren mit Kurs auf die neue Arbeitswelt unterwegs. Freut es Sie, dass New Work nun in aller Munde ist?
Sven Lindig: Der Begriff ist ja eher nichtssagend, jeder versteht etwas anderes darunter. Bis zum Frühjahr 2020 dachten viele, dass ein Kickertisch die Lösung ist, danach war mobiles Arbeiten der Beweis dafür, es geschafft zu haben. Ich überspitze bewusst etwas. Es geht dabei aus meiner Sicht nicht darum, es kuschliger zu gestalten, sondern die Wertschöpfung – auch durch Wertschätzung – zu unterstützen und bessere Resultate für die Kunden zu erzielen.
Wie kam es zu Ihren Erkenntnissen?
Sven Lindig: Seit 2011 darf ich unser Familienunternehmen in der vierten Generation fortführen. Anfangs begannen wir mit den Instrumenten des klassischen Managements, das Unternehmen neu zu strukturieren. Das brachte Erfolge, aber bestimmte Phänomene blieben. Letztlich wurde der Ton nur von oben angegeben, das Organigramm als klassische Pyramide ohne Berücksichtigung des Kunden. Höchstens über den Weg der Kundenbetreuer, die aber eher unten in der Hierarchie waren. Das fand ich suboptimal. Eine gute Kundenbeziehung braucht Befugnisse, niemand will am Telefon hören, dass erst Vorgesetzte zu befragen sind.
Haben Sie also die Pyramide auf den Kopf gestellt?
Sven Lindig: Das war zwar damals mal eine Überlegung. Heute ist mir klar, dass dies nicht viel gebracht hätte. Denn die horizontale und vertikale Teilung wäre geblieben, hätte weiter für Silostrukturen gesorgt und so die Zusammenarbeit behindert. Wir haben uns irgendwann mehr mit diesen systemischen Fragen beschäftigt und erkannt, dass Menschen sich im Kontext ihrer Umgebung sinnvoll verhalten. Wenn ich beispielsweise Anreizsysteme etabliere, erhalte ich Bonusritter, die mehr auf ihren Vorteil achten als auf Kooperation. Es gilt also kontraproduktive Systeme zu entfernen und so ein „anständiges Unternehmen“ zu etablieren, wie es Dr. Reinhard K. Sprenger in einem seiner Buchtitel nennt.
Was ist darunter zu verstehen?
Sven Lindig: Natürlich sollen die Beschäftigten sich wohl fühlen. Sie sollten aber nicht bemuttert werden. Jeder sollte auf seinem Feld das Beste erzielen können und sein bestes Potential entwickeln. Wir haben ein positives Menschenbild und achten darauf, Kolleginnen und Kollegen wie Erwachsene zu behandeln. Wenn jedes Detail vorgeschrieben wird, nach dem Motto: „Fasst den Handlauf an der Treppe an!“ und so alle wie Kinder behandelt werden, gehen Eigenverantwortung und Autonomie verloren, weil ja jemand für mich gedacht hat. Das wird aber unserer immer komplexeren, chaotischeren Umgebung nicht gerecht, wir brauchen Selbstdenker! Zum positiven Menschenbild gehört auch, dass wir unterstellen, dass alle beim Unterzeichnen des Arbeitsvertrags motiviert sind, einen guten Job zu machen. Wenn irgendwann die Motivation verloren gehen sollte, ist auf der Seite des Unternehmens die Frage zu stellen, welcher Beitrag hierzu geleistet wurde.
Was führt denn aus Ihrer Sicht zu Demotivation?
Sven Lindig: Wenn kein Interesse an den Beschäftigten vorhanden ist, wird dies spürbar. Zum Beispiel Entscheidungen treffen, ohne die Einbeziehung der dafür relevanten Personen oder in deren Wirkungsbereich hinein, ohne einander zuzuhören. Danach fallen oft so Floskeln wie „Wir müssen noch die Mitarbeiter ins Boot holen“. Aber auch, wenn eine Kultur existiert, in der Minderleistung oder Fehlverhalten geduldet werden und dies andere frustriert. Idealerweise wird dies auf Teamebene geklärt. Das ist dann schon ein hohes Maß an Eigenverantwortung, nicht nur hilfesuchend nach oben zu schauen. Im Zusammenhang mit unlängst erfolgten Kündigungen unsererseits habe ich in unserem Intranet klargestellt, dass wir ein familiär geführtes Familienunternehmen sind, aber keine Familie. Ein Unternehmen ist eine Wertschöpfungsgemeinschaft! Solche harschen Worte können natürlich auch mal für Irritationen sorgen. Es ist aus meiner Sicht aber auch Aufgabe einer Führungskraft, für Irritationen zu sorgen.
Entsteht Motivation durch Purpose, also die Beantwortung einer Sinnfrage?
Sven Lindig: Ja, auf Basis der vorhandenen intrinsischen Motivation, aber vielleicht nicht auf so einer überhöhten Ebene, wie es meist diskutiert wird. Unter Weltrettung macht es ja heute keiner mehr, habe ich bei manchen Startup-Purpose-Diskussionen den Eindruck. Wir tun im Rahmen unserer Möglichkeiten viel Gutes für die Region. Schon lange. Im Zentrum steht aber die Wertschöpfung und das ist Arbeit für Andere. Unser Slogan ist „LINDIG kann auch Ihr Problem!“ Wenn wir also – zum Beispiel mit unseren Gabelstaplern und Arbeitsbühnen – die Probleme unserer Kunden lösen, dann ist die Sinnfrage schon geklärt. Die Anerkennung kommt direkt vom Kunden, es entsteht Flow. Und es braucht kein Lob vom Chef, die Ausrichtung an ihm oder ihr wäre nicht sinnvoll, der externe Markt zählt. Lob unterstreicht Hierarchie und Paternalismus, Wertschätzung dagegen drückt sich darin aus, die Menschen wahrzunehmen. Dazu gehört für mich persönlich in diesen Zeiten – auch im Unternehmen – für ein Miteinander und gegen Spaltung einzustehen. Dies gehört zu meiner eigenen Beantwortung der Sinnfrage und zu einer Arbeitswelt, wie ich sie mir vorstelle. „New Work“ ist für mich also mehr als Homeoffice und ein Tischkicker!
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LINDIG Fördertechnik GmbH
Vertragshändler Linde Material Handling
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