Thüringer Familienbetrieb setzt auf europäische Expansion

©Michael Hesse/Die GRAFE GmbH & Co. KG färbt transparente Polymere.
Warum sollte ich diesen Artikel lesen?
  • Matthias Grafe ist Geschäftsführer der GRAFE GmbH & Co. KG und über die Grenzen Europas hinweg aktiv.
  • Expansion im europäischen Raum ist für Matthias Grafe eine Möglichkeit, das Wachstum seines Unternehmens voranzubringen.
  • Erfahren Sie, welche Herausforderungen und Chancen er in der Europäischen Union sieht.

Die GRAFE GmbH & Co. KG hat seit ihrer Gründung in den neunziger Jahren konsequent auf den europäischen Markt gesetzt – den größten freien Wirtschaftsraum weltweit. Als mittelständisches Unternehmen produzieren die Brüder Matthias, Michael, Christian und Clemens hochpreisige Produkte für rund 2.000 Kunden in 60 Ländern (auch außerhalb des EU-Binnenmarktes). Mit dabei sind Premium-Automobil-Hersteller wie Porsche, Mercedes und BMW.

GRAFE färbt Polymere für die ganze Welt

Vor 104 Jahren hat der Chemiker Hermann Staudinger etwas entdeckt, das wir heute massiv nutzen: Polymere. Kunststoffe sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie stecken nahezu überall drin: in Arzneimitteln, Klebstoffen, Textilien, Verkleidungen, Armaturen. Kunststoffe sind Teil unseres alltäglichen Lebens. Und um ihnen Farbe zu verleihen, hat sich in Blankenhain die GRAFE GmbH & Co. KG gegründet.

Die Grafe-Brüder und ihre Mitarbeiter arbeiten dabei ähnlich wie Bäcker: Sie mischen verschiedene Zutaten zu einem Ganzen und erhalten ein neues Produkt. Nur dass hier am Ende kein Brot gebacken wird, sondern transparente Polymere eingefärbt werden. Im heißen Zustand wird der gefärbte Kunststoff wie Schnürsenkel aus der Maschine entlassen, gekühlt und zerhackt. Die so gewonnenen Granulate können in allen möglichen und gewünschten Farben produziert werden und sind sogenannte Masterbatches. In kleinsten Mengen werden sie später Rohpolymeren beigemischt. So entsteht „made in Thüringen“ beispielsweise das intensive Gelb im Kärcher – ein wahres europäisches Produkt. Die Kunststoffe dafür stammen aus der Tschechischen Republik, die Bestandteile der Pigmentmischungen aus Deutschland, Holland und (außerhalb der EU) aus Südkorea. In Blankenhain werden die Masterbatches produziert, in Italien die Kunststoffteile gefertigt und in Deutschland montiert. Von hier aus wird das fertige Produkt in die ganze Welt verkauft.

Expansion in Europa – aber nicht in Thüringen

2023 betrug der Umsatz der europaweit rund 600 Mitarbeiter 130 Millionen Euro. Um das Wachstum der Firma voranzubringen, haben die Brüder in Italien und Polen investiert. 2005 wurde mit der GRAFE Advanced Polymers GmbH eine Holdingstruktur geschaffen, die in der heutigen GRAFE GmbH & Co. KG mündete. Im Zuge der Internationalisierung wurden die Tochtergesellschaften GRAFE Polska und GRAFE Italia mit einem Servicenetz und lokalen Ansprechpartnern ausgebaut. Seit 2022 ist die Color Technik AG in Widnau in der Schweiz und seit 2023 die GAYPA S.r.l. in Via Monte Grappa in Italien von der Familie Grafe übernommen worden. Entstanden ist ein kleiner Konzern: Matthias Grafe ist in 13 Gesellschaften Geschäftsführer.

In Thüringen haben wir das Problem, dass diese Konzernstrukturen nicht verwaltet werden können. Wir träumen immer davon, ein großes DAX-Unternehmen in Thüringen zu haben. Aber da brauchst du Verwaltungsstrukturen und Mitarbeiter in den Behörden, die verstehen, was du da machst. Und die haben wir in Thüringen nicht. Weil die das nicht kennen. Wir sind zu kleinteilig.

– Matthias Grafe, Geschäftsführer GRAFE GmbH & Co. KG

Kritik an Deutschland: zunehmende Entfernung von Europa-Idee

Matthias Grafe ist ein bekennender Europäer – ein deutschsprachiger Europäer, wie er betont. Den Gedanken der Europäischen Union bezeichnet er als geniale Idee. In diesem Zusammenhang plädiert der Macher aus Blankenhain dafür, größer zu denken. Er sagt: „Meine Kinder sind englischsprachig aufgewachsen, die haben alle im Ausland studiert. Und wenn es in Mailand besser ist als in Hamburg, dann kann die Jugend nach Mailand ziehen… Ich sehe Europa als eine echte Zukunft. Den Begriff der „Vereinigten Staaten von Europa“ finde ich eine tolle Idee.“

Mit Blick auf Europa übt Matthias Grafe eher Kritik an der deutschen Politik aus. Das Land rücke immer mehr von der europäischen Idee ab. Als Beispiel nennt er die sogenannte „Wegzugsteuer“, die 2022 noch einmal verschärft wurde. Sie steht aus seiner Sicht im krassen Gegensatz zur EU-Niederlassungsfreiheit.

Zieht ein in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtiger beziehungsweise ein Gesellschafter ins europäische Ausland, werden seine Anteile an Kapitalgesellschaften so behandelt, als hätte er diese verkauft. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies tatsächlich der Fall ist. Fiskalisch spricht man von einem fiktiven Veräußerungserlös.

Beratung zum Thema Recht und Steuern finden Sie in der IHK Erfurt. Vor Ort, per Telefon oder Mail sowie auf der Website: www.ihk.de/erfurt… finden Sie Antworten.

Als Unternehmer kann man sich in Europa gar nicht mehr frei bewegen. Handelsbarrieren werden aufgebaut, man versucht sich abzuschotten. Die deutsche Politik macht nur Alleingänge“, so der Unmut von Matthias Grafe.

Für Europa mit seinen rund 450 Millionen Einwohnern sieht Grafe eine echte Zukunft, wenn die derzeitigen Nationalismus-Phasen überwunden werden. Immer mehr richten die Grafe-Brüder ihr Unternehmen dabei europäisch mit neuen Produktionsstandorten dezentral aus. Matthias Grafe ist davon überzeugt, dass Wachstum insbesondere in anderen europäischen Ländern gelingt. Allein in Polen sei das Unternehmen 2023 um 24 Prozent gewachsen. In Thüringen wird zwar weiterhin produziert, aber nicht mehr ausschließlich. Im Vergleich der europäischen Standorte und im nationalen und internationalen Wettbewerb liegen die Produktionskosten im Freistaat mittlerweile am höchsten.

Text: Michael Hesse

Im Fokus: Die Bedeutung Europas für den Wirtschaftsstandort Thüringen

Viele Thüringer Unternehmer teilen die Auffassung, dass die Wettbewerbsfähigkeit der EU unbedingt verbessert werden muss. Doch sie sehen auch andere Herausforderungen wie zu hohen bürokratischen Aufwand und fehlende Unterstützung im Bereich Cybersicherheit.

Hier finden Sie mehr Artikel zur Bedeutung Europas für den Standort Thüringen sowie zu anderen Schwerpunkthemen im WiMa:

Kontaktieren
Sie Ihren
IHK-Experten:
Mark Bremer

Mark Bremer

Tel: 0361-3484200

E-Mail: bremer@erfurt.ihk.de

Sie wollen ins WiMa?

So geht's

Wir freuen uns auf Ihr Feedback zum WiMa

Klicken Sie hier für Lob & Kritik.

So kommen Sie ins WiMa.

Sagen Sie uns, was bei Ihnen los ist!

Jetzt unseren monatlichen
WiMa-Newsletter abonnieren und informiert bleiben.
Rechtsform Gründung
Praxis & RatgeberIn welcher Rechtsform gründe ich?
| Lesezeit: ca. 4 Minuten

Auf dem Weg in die Selbstständigkeit und der Gründung eines Unternehmens stellen sich viele Fragen. Die Wahl der richtigen Rechtsform fällt vielen schwer. Wir haben die wichtigsten Kriterien zur Entscheidungsfindung zusammengefasst.

Weiterlesen
WiMa Newsletter So kommen Sie ins WiMa