Von Werkzeugbau bis Weltpolitik: Wie die EU den Mittelstand stärkt und Europa zusammenhält

©Werkzeugbau Ruhla GmbH/Geschäftsführerin Lena Lüneburger
Warum sollte ich diesen Artikel lesen?
  • Die zentrale Lage Deutschlands in Europa ist als strategischer Vorteil für den Export und die Geschäftsbeziehungen zu Nachbarländern von entscheidender Bedeutung für Unternehmen.
  • Der Text vermittelt ein Verständnis dafür, wie die EU-Wirtschaftspolitik einen attraktiven Binnenmarkt schafft, was sowohl für Wissenschaftler als auch für Praktiker von Interesse ist.
  • Erfahren Sie konkrete Beispiele dafür, wie die Europäische Union Unternehmen wie Werkzeugbau Ruhla unterstützt.

Die Werkzeugbau Ruhla GmbH gehört zu Thüringens Hidden Champions in Sachen Werkzeugbau für Medizinproduktehersteller und sie ist weltweit im Geschäft. Geschäftsführerin Lena Lüneburger ordnet die Bedeutung der EU ein, Politikprofessor Achim Kemmerling erklärt, wie viele versteckte Vorteile der Staatenbund für seine Mitgliedsländer hat.

Mitten in der EU: Vorteile der EU für den Standort

Wer von Werkzeugbau Ruhla eine Viertelstunde lang fährt, hat die nächste Autobahnauffahrt vor sich. Von hier aus geht es leicht und fast immer geradeaus in Deutschlands Nachbarländer. Oder wie Werkzeugbau-Geschäftsführerin Lena Lüneburger sagt: „In drei Stunden sind wir in Frankreich, in drei bis vier Stunden sind wir aber auch in Tschechien oder Polen.“ Die Lage mitten in Deutschland – und damit mitten in Europa – ist für die Werkzeugbau Ruhla GmbH von entscheidender Bedeutung. „Wir arbeiten hier an hochkomplexen Werkzeugen, die wir weltweit an Partner verkaufen“, berichtet Lena Lüneburger und nennt vor allem verschiedene große Medizinproduktehersteller als Kunden des mittelständischen Unternehmens aus Seebach in Thüringen.

Die im Wartburgkreis hergestellten Werkzeuge müssten, so sagt Lüneburger, höchsten Qualitätsstandards entsprechen, würden stetig weiterentwickelt und „sind alle ein Unikat, das es so kein zweites Mal gibt.“ Dieses besondere Angebot ist es, das weltweit gefragt ist und Lena Lüneburger und ihr Team über den ganzen Globus bringt. „Wir sind sehr viel unterwegs. Unsere Kunden sitzen in der Europäischen Union, aber auch in Drittländern“, berichtet Lüneburger und erklärt, wieso sie dadurch die EU und ihr System besonders zu schätzen gelernt habe.

Die EU macht uns viele Dinge leichter. Sie sorgt für eine einheitliche Währung, das Schengen-Abkommen ermöglicht Reisen ohne Visa und gibt uns zugleich eine starke und laute Stimme in der Weltwirtschaft.

– Lena Lüneburger, Geschäftsführerin Werkzeugbau Ruhla GmbH

Binnenmarkt statt Umrechnungsprobleme: Ein weiterer Vorteil der EU

Lena Lüneburger, die seit fast 15 Jahren – fünf davon als Geschäftsführerin – bei Werkzeugbau Ruhla tätig ist, ist sich auch der Dynamik in weltpolitischen und -wirtschaftlichen Angelegenheiten bewusst: „Deutschland ist ein kleines Land ohne nennenswerte Rohstoffe, aber mit einer guten Lage in Europa und tiefgehendem Know-How. Das müssen wir nutzen.“ In Ländern wie Indonesien oder auch in afrikanischen Ländern würde sie immer wieder mit dem dortigen Aufschwung konfrontiert werden. „Dem können wir nur etwas entgegensetzen und den Wohlstand sichern, wenn wir uns auf das Gemeinsame in der EU besinnen“, sagt Lüneburger. Eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik, die die Ansätze der Mitgliedsländer mit einem übergeordneten Interesse der Union verbinde, sei dafür unerlässlich. „Wie wichtig die Vereinheitlichung ist, sehe ich schon, wenn ich Kunden in Drittländern mit Frankreich vergleiche. Die fremden Währungen sorgen immer wieder für Umrechnungsschwierigkeiten und die Berücksichtigung von Kursschwankungen. Der Euro in Frankreich ist der Gleiche wie in Deutschland oder Italien.

Den Zugang zum Weltmarkt erleichtern

Ortswechsel. Gut 60 Kilometer östlich von Lena Lüneburgers Büro sitzt Achim Kemmerling. Er ist Professor an der Willy Brandt School of Public Policy der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt. Als Inhaber der Gerhard Haniel Professur für Public Policy and International Development beschäftigt er sich mit Wirtschaftspolitik auf internationaler Ebene, hat schon als Doktorand zur Osterweiterung der Eurozone und der EU-Steuerpolitik geforscht und ist bekennender Europäer. „Die Europäische Union ist ein Schwergewicht im multipolaren Weltwirtschaftsgefüge. Das führt zu einer verbesserten Ausgangslage für alle der 27 Mitgliedsländer – besser als wenn sie jeweils individuell auf dem Weltmarkt agieren müssten“, sagt Achim Kemmerling.

Wir alle profitieren von einheitlichen Steuerregeln oder auch der innereuropäischen Subventionspolitik. Sie verhindern, dass ein Land durch übermäßige Steuerabsenkungen übervorteilt werden kann und bereiten zugleich den Weg für eine starke inländische Wirtschaft. Zugleich verhindern entsprechende Regeln ein übermäßiges Outsourcing von Produktionen in nahe, aber vermeintliche Billiglohnländer.

– Achim Kemmerling, Professor an der Willy Brandt School of Public Policy

Europa als indirekter, aber beachtlicher Player für den Markt

In Studien würden regelmäßig die Einflüsse der gemeinschaftlichen Wirtschaftspolitik der Staaten untersucht und nahezu all diese Untersuchungen kämen laut Kemmerling zum selben Ergebnis: „Insbesondere der Einfluss der EU-Steuerpolitik ist zwar indirekt aber dennoch beachtlich. Anhand wichtiger Richtlinien gelingt es dem Zusammenschluss, einen attraktiven Binnenmarkt zu schaffen und zugleich gegenüber Playern wie den USA oder China einheitlich und damit stark aufzutreten.“ So weiß der Politikwissenschaftler zu berichten, dass insbesondere die Mär von einer „stetig fordernden und teuren EU“ in das Reich der Legenden verbannt werden müsse. „Wir alle profitieren von einheitlichen Steuerregeln oder auch der innereuropäischen Subventionspolitik. Sie verhindern, dass ein Land durch übermäßige Steuerabsenkungen übervorteilt werden kann und bereiten zugleich den Weg für eine starke inländische Wirtschaft. Zugleich verhindern entsprechende Regeln ein übermäßiges Outsourcing von Produktionen in nahe, aber vermeintliche Billiglohnländer“, erklärt Achim Kemmerling.

Vergleiche zum Brexit sind nur bedingt sinnvoll

Dass die EU dennoch in vielen Diskussionen derzeit nicht unbedingt gut davon käme, liegt aus seiner Sicht vor allem an einer „Imagekrise“, die mit starker Bürokratisierung, aber auch vielen Falschinformationen einherginge. Viele Menschen würden, meint Achim Kemmerling, die EU als selbstverständlich und langweilig ansehen. Eine Meinung, die der Professor nicht teilen kann. „Die positiven Aspekte der EU lassen sich nun einmal schwerer darstellen, wenn wir immer nur auf das schauen, was nicht so läuft“, meint Kemmerling. Dennoch spricht er von einem „erfolgreichen EU-Effekt“, der besonders gut zu erkennen sei, wenn man sich vor Augen führe, was etwa seit dem Brexit in Großbritannien alles problematisch sei. „Dort explodieren inzwischen Preise, die Außenwirtschaft ist eingebrochen und auch das Thema Migration hat sich – schauen wir uns die Zahlen der Asylsuchenden an – nicht wirklich verändert.“

Dass auch in Deutschland, wenn auch oft noch hinter vorgehaltener Hand, inzwischen mancherorts über einen De-Xit diskutiert werde, kann Kemmerling nicht verstehen. „Es gibt weltweit keine andere Konföderation dieser Form und keine vergleichbare Erfolgsgeschichte, wie eine Wirtschafts- und Politikunion zum Miteinander beiträgt“, sagt er. Trotzdem wünscht sich Achim Kemmerling noch stärkere europäische Symbole und schlägt etwa eine gemeinsame EU-Fußballmannschaft vor.

Handel bringt Frieden und die EU Stabilität

Die Idee einer gemeinsamen Fußballmannschaft gefällt auch Geschäftsführerin Lüneburger und sie lobt die EU als eine „Sache des Friedens“. Schließlich habe es innerhalb Europas seit der Gründung der EU-Vorgängerinstitution EGKS in 1952 keine kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Staaten des Bündnisses mehr gegeben. „Handel ist das Gegenteil von Krieg und genau das ermöglicht uns die EU“, sagt Lena Lüneburger.

Dass sie sich dennoch weniger Regularien hinsichtlich der Wirtschaft wünsche, daraus macht Lena Lüneburger keinen Hehl. „Wir müssen auch innerhalb und mit der EU unsere Wirtschaftsfähigkeit stärken. Bürokratie muss abgebaut und Investitionen müssen gefördert werden. Das sollte unser europaeinheitliches Ziel sein“, sagt sie.

Text: Paul-Philipp Braun

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