Klimaschutz wird zunehmend zur betrieblichen Notwendigkeit. Oft unterschätzte Potenziale liegen dabei in der Kooperation mit der außeruniversitären Forschung. Vom Technologie- und Wissenstransfer profitieren beide Seiten: Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind Impulsgeber für neue Forschungsziele seitens der Hochschulen oder Forschungseinrichtungen und können gleichzeitig auch mit Know-how aus der Praxis die Wissenschaft bereichern. Umgekehrt erhalten sie von den Forschenden neue Impulse und oftmals innovative Lösungen für betriebliche Aufgaben. Im Interview erklärt Frieder Schnabel vom Fraunhofer IAO (Bereich Energy Innovation), wie der Weg in die Klimaneutralität gelingt und worauf es bei der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft ankommt.
Herr Schnabel, was sind die ersten Schritte eines Unternehmens in Sachen Klimaschutz?
Neben den konkreten Maßnahmen für Klimaschutz geht es erst einmal darum, den Ist-Stand zu analysieren und eine Strategie zu entwickeln, was die Ziele des Unternehmens sind, um anschließend Strukturen aufzusetzen und Prozesse zu definieren. Dann erst geht es um die Maßnahmen zur Minderung von Treibhausgasen und schließlich ums Monitoring. Zuletzt folgen die Kommunikation und Berichterstattung.
Was ist die Grundvoraussetzung, dass der Prozess bei den von Ihnen begleiteten Unternehmen erfolgreich ist?
Es ist sehr wichtig, dass die grundsätzlichen Umweltziele von der Geschäftsführung vorgegeben und auch selbst gelebt werden, denn ohne Personal- und Finanzressourcen funktioniert es nicht. Dann muss klar sein, wer verantwortlich ist für den ganzen Prozess. Die größeren Unternehmen haben oftmals Nachhaltigkeitsmanager eingestellt, aber gerade bei den kleineren Unternehmen ist oft im ersten Schritt niemand außerhalb der Geschäftsführung zuständig.
Was sind die gängigsten Klimaschutz-Maßnahmen für KMU, die Sie kennen und mitentwickelt haben?
Es gibt einerseits die technischen Infrastruktur-Maßnahmen, etwa die Gebäudesanierung, die Umstellung des Fuhrparks oder auch, bei der Energieversorgung auf Eigenerzeugung zu setzen – zum Beispiel mit Photovoltaik (PV). Man kann das natürlich etwas aufwendiger gestalten, indem man neben PV-Anlagen auch beispielsweise Wärmerückgewinnung und andere Maßnahmen nutzt. Viele Unternehmen haben ihren Fuhrpark elektrifiziert. Es gibt aber auch die „low hanging fruits“, die wenig Aufwand und wenig Kosten verursachen, wie etwa doppelseitiges Drucken oder auch – Stichwort Nudging – am Aufzug augenzwinkernd darauf hinweisen, wie viele Kalorien man verbrauchen würde, wenn man die Treppe nähme.
Neben strategischen Maßnahmen (zum Beispiel nachhaltige Lieferketten, Einführung eines Energiemanagementsystems) sind auch qualitative Maßnahmen wichtig, wie die Mitarbeiter-Sensibilisierung etwa im Hinblick auf den Arbeitsweg oder auch die Speisenauswahl in der Kantine.
Je konkreter, desto besser
Mit Blick auf den Klimaschutz gibt es etwa vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) ganz konkrete Lösungspakte, die Unternehmen helfen sollen, wichtige Maßnahmen Schritt für Schritt umzusetzen. Ähnlich wie die IHK-Organisation unterstützt das Netzwerk „Klimaneutrale Unternehmen“ gerade KMU bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen.
Kommen die Unternehmen proaktiv auf Sie zu?
Ja, es kommen vor allem diejenigen, die bereits für das Thema sensibilisiert sind, aber noch nicht genau wissen, wie sie in die Umsetzung kommen können. Da unterstützen wir gerne mit einem strukturierten Vorgehensprozess. Andere könnte man noch etwas anspornen. Da helfen sicher noch mehr Informationen über zukünftige Verpflichtungen und die praktische Umsetzbarkeit beim Klimaschutz.
Wie läuft die Kooperation zwischen dem Fraunhofer IAO und den Unternehmen?
Es gibt zum einen bilaterale Projekte, in denen Unternehmen auf uns zukommen mit ganz konkreten Fragestellungen. Zum anderen arbeiten wir aber auch in unserem Netzwerk „Klimaneutrale Unternehmen“ mit mehreren Unternehmen gemeinsam, die alle ähnliche Themen und Herausforderungen haben. So lösen wir die Fragestellungen synergetisch und kostengünstig. Außerdem können sich die Unternehmen gleich untereinander vernetzen. Eine dritte Möglichkeit der Kooperation ist, dass wir gemeinsam ein Forschungsprojekt starten. Dabei bewerben wir uns gemeinsam mit einem Unternehmen als Konsortium auf eine Ausschreibung der EU, des Bundes oder eines Bundeslandes.
Welche Unternehmensbeispiele sind besonders bemerkenswert?
Ein bemerkenswertes Beispiel ist ein Unternehmen, das mangels eigener Flächen die Installation, Wartung und Betrieb von Photovoltaik-Anlagen auf den Privatwohnungen der Mitarbeitenden übernommen hat. Wenn dort überschüssiger Strom über den Privatbedarf hinaus produziert wird, wird dieser an das Unternehmen geliefert. Das Unternehmen erhält so regional erzeugten Ökostrom für seinen Bilanzkreis und zahlt den Mitarbeitenden im Gegenzug einen etwas höheren Preis für diese Einspeisung, als sie an Einspeisevergütung bekommen würden. Ein weiteres spannendes Beispiel kommt von der Uni Kassel, die Ideen von Mitarbeitenden umsetzt: etwa die Umstellung der Beleuchtung, bei der man zunächst investiert, aber dann jährliche Einsparungen hat. Diese Einsparungen fließen in die „Klimaschutzkasse“ zurück und man kann weitere Maßnahmen finanzieren.
Stichwort Finanzierung: Können sich KMU Klimaschutz überhaupt leisten?
Wenn sie nicht in Klimaschutz-Maßnahmen investieren, könnte es in Zukunft deutlich teurer werden. Denn es ist davon auszugehen, dass die CO2-Bepreisung in den kommenden Jahren sicherlich deutlich steigen wird. Das Credo lautet also: Lieber jetzt gleich anfangen! Auch weil sich viele der Maßnahmen bereits in wenigen Jahren amortisieren.
Innovationsnetzwerk: „Klimaneutrale Unternehmen“
Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO entwickelt gemeinsam mit Unternehmen und Institutionen der öffentlichen Hand Strategien, Geschäftsmodelle und Lösungen für die digitale Transformation. So auch im Bereich der Klimaneutralität.
Die Klima-Plattform hilft weiter:
Das Unternehmensnetzwerk Klimaschutz (UNK) vernetzt und begleitete insbesondere kleinere Betriebe, die aktiv zum Klimaschutz beitragen und sich zukunftsfest aufstellen wollen. Eine digitale Plattform ermöglicht den Austausch von Wissen, Erfahrungen und Best Practices. Zusammen mit den IHKs bietet das UNK Einstiegsberatungen, Webinare und die Qualifizierung von Auszubildenden zu Energie-Scouts an.
Interview: Daphne Grathwohl / DIHK