Wirtschaftsstandort Thüringen – eine Einschätzung

©Michael Hesse/Werk der Abel Metallsysteme GmbH & Co. KG in Geisa
Warum sollte ich diesen Artikel lesen?
  • Wie steht es um den Wirtschaftsstandort Thüringen?
  • Was steht Unternehmen im Weg und was hilft ihnen dabei, erfolgreich zu wirtschaften?
  • Klaus Peter Abel und Mirko Klich berichten von ihren Erfahrungen und schätzen den Wirtschaftsstandort ein.

33 Jahre nach der Wiedervereinigung befindet sich die Thüringer Wirtschaft „in schwerem Fahrwasser“. So jedenfalls hat es Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee in der Landtagsdebatte am 14. September formuliert. Doch ist der Wirtschaftsstandort Thüringen wirklich in Gefahr?

Galoppierende Inflation, gestiegene Betriebskosten, internationaler Preisdruck, fehlendes Personal, stockende Digitalisierung der Verwaltung, bürokratische Auflagen von Ämtern und Behörden sowie neue Gesetze der Bundesregierung und EU, wie das Hinweisgeberschutzgesetz, das Gebäude- und Energiegesetz sowie das Lieferkettenschutz- und Mehrwegpflichtgesetz. All das lässt den Druck auf die Unternehmen steigen. Die eigentliche Arbeit wird dadurch deutlich erschwert.

Wirtschaftlich gut aufgestellt   

Mirko Klich hat den Blick auf den Wartburgkreis. Klich ist Amtsleiter im Landratsamt und für die Wirtschaftsförderung zuständig. Er sieht die Region wirtschaftlich gut aufgestellt. Der Kreis sei, gemessen an der Zahl von über 25.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Produzierenden Gewerbe, der stärkste Industriestandort Thüringens. Nach Angaben des Thüringer Landesamtes für Statistik lag 2022 der Umsatz im Bergbau und verarbeitenden Gewerbe im Wartburgkreis bei über 4,8 Milliarden Euro und im Landkreis Gotha bei 4,1 Milliarden Euro im Jahr 2022. Als positiv bezeichnet er die zentrale Lage, die hohe Beschäftigungsquote mit 65 Prozent und eine hohe Frauenerwerbstätigkeit durch ausreichend Kindertagesstätten. Und auch die Löhne sind in den vorrangigen Wirtschaftsfeldern Maschinenbau und Sondermaschinenbau, Metallverarbeitung, Automobilindustrie sowie Kalibergbau aus seiner Sicht durchaus vergleichbar mit denen in Hessen und Bayern.

Klar, die Stimmung ist nicht rosig in den Unternehmen. Doch was wir aus den Unternehmen erfahren, hört sich nicht katastrophal an. Zu beachten sind auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen und Unternehmen.

– Mirko Klich, Wirtschaftsförderung Wartburgkreis

Die Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen hat für den IHK-Bezirk fast 40 Unternehmen evaluiert, die Weltmarkt- und Technologieführer beispielsweise im Automobil-, Anlagen- und Werkzeugbau, in der Chemie- und Kunststoffindustrie, der Pharmaindustrie oder der Medizintechnik sind. Die Hidden Champions – wie sie genannt werden – sind in ihrer Branche die Besten. Ihre Stärken: mittelständisch agil und innovativ reagieren, deutlich mehr Patentabschlüsse als die Großindustrie, große Kundennähe.

Bürokratische Hürden belasten die Wirtschaft

Klaus Peter Abel leitet in Geisa die Abel Metallsysteme GmbH & Co. KG – sein Unternehmen produziert seit über 100 Jahren in dritter Generation. Großvater Aloys hatte 1920 mit Holzhandwagen begonnen, Enkel Klaus Peter und seine 120 Mitarbeiter produzieren nun absturzsichere Geländersysteme für die Bauindustrie. Abel kritisiert politische Akteure, die für Unsicherheit in der Branche und bei Verbrauchern sorgen. Als Beispiel nennt der Unternehmer das Gebäudeenergiegesetz. Aus seiner Sicht ist es herausgeballert, dann wieder dran herumgeschraubt worden – und das alles innerhalb eines Jahres. Abel wünscht sich für seine Branche langfristige Planungssicherheit.

Wir stellen uns in Deutschland doch eigentlich selber die Beine. Wir erlassen Gesetze, die Wirtschaft wird gehemmt – am Ende geht alles langsamer und schwieriger. Alles wird teurer. Warum?

– Klaus Peter Abel, Geschäftsführer bei Abel Metallsysteme GmbH & Co. KG

Der 53-Jährige ist ein Macher. Abel will weiter investieren. Im Gewerbegebiet Geisa wird gerade ein neues 900 Quadratmeter großes Lager gebaut.

Thüringer Wirtschaft braucht Fachkräfte

Flächen für künftige Investoren werden auch im Wartburgkreis weiterhin vorgehalten. Das Landratsamt beziffert die größten Flächen im Bestandsgebiet Langes Maß in Bad Salzungen auf rund 40 Hektar, in Eisenach-Kindel in der Gemeinde Hörselberg-Hainich auf rund 35 Hektar und in Gerstungen auf rund 32 Hektar. Als großes Problem sieht Amtsleiter Mirko Klich für Thüringen und den Wartburgkreis den Fachkräftemangel. Im Landratsamt arbeiten die Mitarbeiter deswegen intensiv daran, junge Menschen in der Region zu halten und für Jobs zu gewinnen. Die Mitarbeiter des Thüringer Welcome Centers, die zur Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen gehören, setzen sich unter anderem aktiv dafür ein, Fachkräfte aus dem Ausland für Thüringen zu gewinnen. An Universitäten, Hochschulen und Fachschulen arbeiten die Mitarbeiter der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen GmbH (LEG) daran, den Standort und die hiesigen Unternehmen zu bewerben. Nach einer Studie der Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) und dem Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (ifo Dresden) im Auftrag des Thüringer Ministeriums für Arbeit befindet sich der Arbeitsmarkt in einem Wandlungsprozess. Die Autoren gehen davon aus, dass Thüringen im Jahr 2035 von einem massiven Arbeitskräfteengpass betroffen sein wird. Die Folge: Die wirtschaftliche Entwicklung schwächt sich ab. Rund 140.000 Stellen können bis dahin nicht mehr besetzt werden, weil es schlicht an Menschen fehlt, die eingestellt werden könnten. Mirco Klich sagt dazu: „Nach Berlin, Bayern oder Baden-Württemberg geht man vielleicht noch eher als nach Thüringen. Obwohl es hier attraktive Jobs, eine sehr gute soziale Infrastruktur für Familien und bezahlbaren Wohnraum gibt. Das Image ist nicht so stark ausgeprägt, dass wir die Arbeitskräfte, die wir bräuchten, auch gewinnen.“

Der Geisaer Unternehmer Klaus Peter Abel blickt optimistisch in die nahe Zukunft. Für dieses Jahr sind die Auftragsbücher voll, für das kommende Jahr sind die ersten Aufträge sicher. Fachkräfte findet Abel noch immer in der Region und sein Sohn arbeitet schon jetzt mit in der Firma – der Generationenwechsel kann bei ihm gelingen.

Hilfe und Infos für Unternehmer

Die IHK Erfurt weiß um die angespannte Lage des Wirtschaftsstandortes und versucht, den Entwicklungen entgegenzuwirken. Daher erfasst die IHK Erfurt in ihrer Strategie 2021 – 2025, die wichtigsten Ziele und Forderungen für den Wirtschaftsstandort Thüringen, um diesen mit Visionen und Mut zu unterstützen. In diesem Zusammenhang befasst sich das Handlungsfeld I des Strategiepapiers damit, das Unternehmertum zu stärken und Bürokratie abzubauen. Die Forderungen und Ziele der IHK Erfurt zu diesem Themenbereich können Sie hier nachlesen.

Zur Vernetzung von Unternehmern untereinander dient außerdem das IHK-Netzwerk Mittelstand. Mitglieder des Netzwerkes können sich über wirtschaftliche Probleme sämtlicher Art austauschen, gemeinsam Lösungsvorschläge entwickeln und diese auch nach außen tragen.

Zum IHK-Netzwerk Mittelstand…

Autor: Michael Hesse

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