Was Colette Boos-John und Milen Volkmar gemeinsam haben? So einiges. Beide Frauen sind extrem erfolgreich. Beide haben ein Ziel: Sie wollen ihre Interessen und die vieler anderer Unternehmer durchsetzen. Dafür benutzen sie ihre Netzwerke, die von Thüringen aus in die ganze Republik reichen. Landes- und Bundespolitiker, Staatssekretäre, Landräte oder auch Bürgermeister – ihnen erklären die zwei Frauen, wie Deutschland besser werden kann. Ihre großen Themen, die sie unermüdlich ansprechen, heißen Bildung, Digitalisierung und Deregulierung.
Wie Netzwerke die Arbeit bereichern
Gummistiefel, Helm und Sicherheitsweste – all das gehört zur Grundausstattung von Colette Boos-John. Die Bauunternehmerin versucht neben der vielen Schreibtisch- und Gremienarbeit auch regelmäßig auf ihren Baustellen aufzutauchen. Tiefbau ist ihr Spezialgebiet. 320 Mitarbeiter halten ihr den Rücken frei, um die Bauer Bauunternehmen GmbH zu managen. Zusätzlich engagiert sich die Unternehmerin in der IHK Erfurt, dem Familienverband, dem Normenkontrollrat, dem Katholikentag, auf Messen und Podiumsdiskussionen. Kurzum: Ihr Kalender ist randvoll.
Auf ihren Baustellen arbeitet Colette Boos-John mit anderen Firmen zum Nutzen aller Beteiligten zusammen. In sogenannten Arbeitsgemeinschaften sind sie gleichberechtigt und dennoch rechtlich unabhängig vernetzt – Risiken werden so minimiert. Neben der horizontalen Kooperation setzt die Unternehmerin auch auf die vertikale Zusammenarbeit mit Subunternehmen, die Produkte anbieten, die von ihrer Firma nicht geleistet werden können. „Wir nennen das unser Schatzkästchen. Mit den Subunternehmen arbeiten wir lange und sehr gut zusammen. Die müssen gepflegt werden. Schnelles Zahlungsziel, gute Abwicklung, gemeinsames Agieren.“
Milen Volkmar nennt ihre Kooperationspartner liebevoll ihr „Ökosystem“. Die 33-Jährige ist Geschäftsführerin der Q-SOFT GmbH in Erfurt mit 50 Mitarbeitern – tätig in den Bereichen IT-Sicherheit sowie Software-Entwicklung in der Abfallwirtschaft. Ihr „Ökosystem“ funktioniert nur, wenn alle mitspielen. Das Fehlen des Einen, würde die Existenz des Anderen unmöglich machen. Im Laufe der Jahre hat sich bei ihr ein ökologisches Gleichgewicht eingestellt. Vernetzte Kreisläufe können so mit- und nebeneinander existieren. Zum Wohle aller – und speziell ihrer Kunden.
Die Unternehmerin des Jahres 2022 hat ihre Ziele klar definiert: Die Q-SOFT GmbH will sie zur führenden Adresse in der IT-Sicherheit in Mitteldeutschland ausbauen. Dabei ist Milen Volkmar auf Kooperationen und Partner angewiesen: „Um den Kunden den größten Mehrwert zu bieten, muss ich mit Partnern arbeiten. Wir haben das in den letzten Jahren verstärkt. In unserem IT-Bereich arbeiten wir beispielsweise mit drei verschiedenen Partnerunternehmen zusammen. Da kaufen wir Dienstleistung ein, um sie unseren Kunden zusätzlich anzubieten. Das sind dann Sub-Unternehmer-Verträge unter dem Dach von Q-SOFT, die wir klar kommuniziert haben.“
Mit Engagement und klaren Zielen
Beide Frauen sind extrem stark im Netzwerken. So hat Milen Volkmar den Anspruch, bei politischen Entscheidern ein besseres Verständnis ihrer Anliegen zu erreichen. Als Vorstandsvorsitzende im IT-Netzwerk Thüringen kann sie schon im Vorfeld politischer Entscheidungen ein Wörtchen mitreden. So kann die Unternehmerin beispielsweise auf Referentenentwürfe aus dem Bundeswirtschaftsministerium blicken, bevor sie in Gesetze gegossen werden. Ihre Meinung zählt. Damit vertritt sie die Interessen der 1.700 Thüringer IT-Unternehmen im ITnet Thüringen e.V. Konkret arbeitet sie gerade daran mit, die europäische NIS-Richtlinie in Deutschland ab 2024 umzusetzen. Damit soll ein einheitliches Sicherheitsniveau von Netz- und Informationssystemen geschaffen werden. „Da gibt es sogenannte Schwellenwerte, die definieren, wie groß ein Unternehmen sein muss, in welchem Bereich es tätig sein muss, damit es unter diese NIS-Richtlinie fällt.“ Diese Frage muss konkret auch für kleine, mittelständische Betriebe beantwortet werden. Das betrifft auch ihr Unternehmen. Die in der NIS-Richtlinie definierten Sicherheitsstandards müssen dann von den Firmen umgesetzt werden.
Ich will mit meiner Gremien-Arbeit unnötige Bürokratie verhindern.
– Milen Volkmar, Geschäftsführerin der Q-SOFT GmbH
Netzwerken als Chance auf Verbesserung
Auch Colette Boos-John ist eine Meisterin im Netzwerken: „Netzwerken ist für mich das Zusammenbringen von Meinungen – stärker werden dadurch. Wir haben ja hier in Thüringen kleinteilige Verhältnisse. Wenn jeder Klein-Klein spricht, dann haben wir nicht die Reichweite. Gemeinsam ist man stärker.“
„Networking“ bedeutet für Colette Boos-John den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen, eine Win-win-Situation für mehrere Akteure schaffen – genau das will die Unternehmerin mit ihrer Gremien-Arbeit erreichen. Dabei scheut sie sich nicht, den Finger in die Wunde zu legen. So stimmt sie schon jetzt gemeinsam mit Landesparteiverbänden wirtschaftspolitische Inhalte ab, die sie im kommenden Jahr auf Podiumsdiskussionen im Vorfeld der drei Thüringer Wahlen präsentieren wird. In ihrer Kampagne will sie Themen wie Bildung und Führungskräfte, Digitalisierung der öffentlichen Hand sowie Deregulierung aufgreifen.
Wir müssen immer wieder den Finger in die Wunde legen. Wir können nicht nur heulen, wir müssen auch etwas tun.
– Colette Boos-John, Geschäftsführerin der Bauer Bauunternehmen GmbH
Über das Netzwerk Mittelstand der IHK Erfurt, das sie leitet, ist Colette Boos-John auch mit der Landesregierung im regelmäßigen Austausch über alltägliche Unternehmer-Probleme. Mit ihrer Arbeit will sie Schlüssel für die Schlösser finden, die es aufzumachen gelte. Ein Thema für sie: Bürokratisierung in der Verwaltung neu denken. Vereinfachen. Lebensnahe Aufgaben anpacken. Ein konkretes Hindernis hat sie in ihrer täglichen Arbeit selbst erfahren. Firmenfahrzeuge zulassen – teils bis zu 25 Stück – führte zu einem enormen Arbeitsaufwand, vielen Autokilometern und unzähligen Besuchen in verschiedenen Zulassungsstellen, die für ihre Unternehmensstandorte in Walschleben, Waltershausen und Worbis zuständig sind. Das Problem: Die Mitarbeiter in den Zulassungsstellen durften in der Vergangenheit einmalig nicht mehr als fünf Fahrzeuge bearbeiten. „Bei 25 Fahrzeugen mussten wir fünfmal auf den Zulassungsstellen erscheinen. Das zu digitalisieren, bringt für mich einen schönen Mehrwert und auch der Verwaltung.“
Was steckt hinter dem Netzwerk Mittelstand der IHK Erfurt?
Das Netzwerk Mittelstand bietet kleinen und mittleren Unternehmen die Möglichkeit, sich untereinander zu vernetzen und über Probleme und deren Lösungen auszutauschen. Doch auch für den Dialog mit Politik und Verwaltung setzt sich das Netzwerk ein. So werden die Anliegen, Nöte und Sorgen der Unternehmer sichtbar. Beispielsweise die Frage, ob Unternehmer von Politik und Gesellschaft genug Wertschätzung und Unterstützung entgegengebracht bekommen, wurde vom Netzwerk Mittelstand ausführlich diskutiert und in einer Broschüre mit Beispielen aus dem Unternehmeralltag zusammengefasst.
Zur Broschüre: „Wo drückt der Schuh?“
Eine Anmeldung zum Netzwerk ist jederzeit möglich – hier gibt es die nötigen Informationen.
Autor: Michael Hesse