Je größer die Krise, desto wichtiger das Netzwerk

©arifoto.com/Michael Reichel/Bedeutung von Netzwerken in der Wirtschaft: Nico Bruder (2vl), Inhaber der Firma „Licht produktiv“
Warum sollte ich diesen Artikel lesen?
  • Netzwerke und Kooperationen spielen eine immer wichtigere Rolle für Unternehmen.
  • Sich untereinander zu vernetzen, eröffnet neue Möglichkeiten und erleichtert die Bewältigung von Herausforderungen.
  • Die IHK Erfurt unterstützt Netzwerke und Kooperationen beispielsweise innerhalb der Innovationsberatung.

Wer als Unternehmer erfolgreich sein will, braucht Netzwerke – und manchmal sogar Kooperationen. Sie aufzubauen und zu pflegen, kostet Zeit; natürlich. Doch wer sich diese Zeit nicht nimmt, vergibt viele Chancen. Gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Umbruchs.

Schon als er ganz am Anfang seiner inzwischen vielen Jahre als Unternehmer stand, lief für Nico Bruder nichts ohne persönliche Kontakte. Für den Mann, der in Bad Frankenhausen arbeitet und der Mitte der 1990er Jahre als DJ angefangen hat, waren schon damals Bekanntschaften und Weiterempfehlungen der Garant dafür, dass er zuerst in einer Jugendherberge auflegte, dann im Ferienlager, dann auf Stadtfesten. „Das lief von alleine“, sagt Bruder im Rückblick. Praktisch immer sei er von einem Auftrag zum nächsten weiterempfohlen worden, hätten Menschen ihn irgendwie gekannt und deshalb für sich oder ihre Party gewinnen wollen.

Bis heute ist Bruder den Tönen und dem Licht, den Bühnen und der Musik, kurz: der Veranstaltungsbranche treu geblieben. Wofür die Netzwerke, mit denen er damals anfing zu arbeiten, ganz wichtig waren. So, wie sie es für ihn und seine vor fünfzehn Jahren gegründete Firma „Licht produktiv“ bis heute sind. „Gerade im Eventbereich ist das Sehen und Gesehen-werden ein riesengroßer Bestandteil des Geschäfts“, sagt Bruder. „Das war jahrelang die beste und günstigste Werbung für uns.“ Eben weil das Sehen und Gesehen-werden bereits ein ganz wichtiger Teil des Netzwerkens ist.

Die Wichtigkeit von Netzwerken steht außer Frage

Bruder ist längst nicht der einzige Vertreter der Thüringer Wirtschaft, der die Bedeutung von Netzwerken für sein erfolgreiches Arbeiten betont – wobei es für ihn wie für alle anderen, die das tun, manchmal gar nicht unmittelbar um neue Aufträge geht, sondern um die kleinen Dinge des wirtschaftlichen Lebens. Einmal, erzählt Bruder, habe er zum Beispiel für einen Messe-Auftritt zehn zusätzliche Plakatständer gebraucht. „Aber niemand konnte mir die liefern.“ Erst über seine gut gepflegten Netzwerke habe er sich dieses Material organisieren können.

Trotz solcher Erfahrungen und Einschätzungen – die so naheliegend sind, dass es teilweise banal anmutet, was Bruder erzählt – gibt es offenbar noch immer zu viele Unternehmer und Unternehmenslenker, die die Bedeutung von Netzwerken beziehungsweise Kooperationen unterschätzen. Solche, die sich als Einzelkämpfer verstehen und damit wichtige Chancen vergeben. Viele Verantwortliche in deutschen und thüringischen Unternehmen hätten „auf jeden Fall, definitiv“ noch einiges Potenzial, wenn es darum gehe, zu erkennen, wie wichtig es sei, sich in Netzwerken zu bewegen und Kooperationen einzugehen, sagt beispielsweise auch Livanur Pektas, die als Innovationsberaterin bei der Industrie- und Handelskammer Erfurt arbeitet. „Man kann davon nur profitieren.“

Fast wortgleich formuliert das auch Bruder. „Ich habe mit Netzwerken immer gute Erfahrungen gemacht. Dabei ist es nach seinen Erlebnissen aus den vergangenen Jahren aber natürlich auch eine menschliche Typ-Frage, wie sehr jemand bereit ist, sich in Netzwerke einzubringen oder sie anzubahnen.

Wenn ich neu bin in einem Raum, kann ich mir einen Kaffee holen und mich in eine Ecke stellen – oder ich stelle mich bei jemandem mit dazu, stelle mich vor und komme ins Gespräch.

– Nico Bruder, Gründer von Licht produktiv

Ein Netzwerk baut sich nicht von allein

Dass es für Unternehmer – wie für jeden Privatmann und jede Privatfrau – sehr aufwändig ist, sich zu vernetzen, das bestreiten freilich weder Bruder noch Pektas. Entsprechend lautet eines der häufigsten Argumente gegen das regelmäßige Netzwerken, man habe ohnehin schon genug zu tun; zu viele andere Verpflichtungen. In der Firma. Am Haus. In der Familie. Trotzdem raten beide jedem Unternehmer und jeder Unternehmerin, sich diese Zeit zu nehmen, gleichwohl es dabei im Laufe der Jahre gilt, Prioritäten zu setzen. Schon deshalb, weil ein Netzwerk fast schon zwangsläufig zum nächsten führt und das wiederum eine schon logistisch nicht zu bewältigende Vielzahl von neuen Netzwerk-Möglichkeiten bedeutet.

Er, sagt Bruder, sei von fünf Arbeitstagen pro Woche an mindestens einem davon zusätzlich auf einer Abendveranstaltung präsent, bei der es entscheidend um Sehen und Gesehen-werden geht. Auf diese Weise besuche er bis zu fünfzig Netzwerkveranstaltungen pro Jahr: Eröffnungen von Autohäusern, Golfturniere, kommunalpolitische Unternehmerabende, IHK-Veranstaltungen, sogenannte Standpartys auf Messen. Weil er deutlich mehr Einladungen erhalte, als er wahrnehmen könne, hätten sich seine Netzwerke im Laufe der Zeit „aussortiert“. „Es wird schärfer“, sagt Bruder.

So pflegen Unternehmer ihre Netzwerke

Nach Einschätzung der Innovationsberaterin der Industrie- und Handelskammer Erfurt, Livanur Pektas, gibt es viele kleine Dinge, mit denen Unternehmen Netzwerke pflegen oder sogar ausbauen können:

  • Seien Sie bereit, Ihren Netzwerkpartnern etwas zu geben. Nur so können Sie erwarten, dass auch andere Ihnen etwas zurückgeben.
  • Sprechen Sie offen über Ihre Geschäftspraktiken, betreiben Sie dazu auch eine angemessene Öffentlichkeitsarbeit. „Damit werden Menschen auf Sie aufmerksam“, sagt Pektas. Ein Unternehmen, das in einem Netzwerk bereits bekannt sei, bleibe so für seine Netzwerkpartner interessant.
  • Organisieren Sie eigene Netzwerkveranstaltungen bei sich im Haus und laden Sie zu Tagen der offenen Tür ein.

Der finanzielle Aspekt der Netzwerke

Neben den klassischen Netzwerken, die maßgeblich von persönlichen und bisweilen informellen Kontakten von einzelnen Personen zu anderen einzelnen Personen leben, sind es zudem formalisierte Kooperationen von Unternehmen, deren Bedeutung nach Einschätzung von Pektas in Thüringen bis heute oft unterschätzt werden. Gerade Kooperationen mit Forschungseinrichtungen, sagt sie, könnten für ungezählte mittelständische Firmen im Land ungeahnte Chancen bieten – umso mehr, weil es für solche Kooperationen oft sogar staatliche Zuschüsse gibt, was wiederum damit zu tun hat, dass viele Unternehmen im Freistaat gar nicht in der Lage sind, Forschungs- und Entwicklungsleistungen – im Fachjargon abgekürzt: FuE – eigenständig zu finanzieren.

Nach Angaben des Thüringer Wirtschaftsministeriums kommt in Westdeutschland etwa jeder dritte Euro für FuE-Ausgaben aus staatlichen Quellen, in Ostdeutschland ist es dagegen jeder zweite Euro; einfach, weil die Unternehmen im Osten in der Regel finanzschwächer sind als die vor allem im Westen beheimateten Großunternehmen.

Das sei der zentrale Grund dafür, dass der Freistaat seine gesamte Innovationsförderung inzwischen in einem Programm namens „Thüringen MOTIVation – move to innovation“ gebündelt habe, sagt Landes-Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee. „Bis 2027 stehen darüber gut 850 Millionen Euro aus EU-, Landes- und Bundesmitteln bereit, um die Thüringer Wirtschaft, aber auch Hochschulen und Forschungseinrichtungen bei der Entwicklung neuer Produkte, Prozesse und Dienstleistungen zu unterstützen.“ Ziel seines Hauses sei es, „im Laufe dieses Jahrzehnts bei Forschung und Technologie zu den erfolgreichsten Regionen in Deutschland aufzuschließen“.

Von derartigen Kooperationen, sagt Pektas, könnten vor allem Unternehmen profitieren, die sich in einer herausfordernden oder sogar schwierigen Situation befänden. Das gelte insbesondere für die Thüringer Automobilzulieferindustrie, die sich grundlegend wandeln müsse, weil der Trend weg vom Verbrennungsmotor hin zur Elektromobilität gehe.

Grundsätzlich gilt diese Einschätzung: Je größer die Krise, desto wichtiger die Kontakte – nach den Erfahrungen von Bruder gilt das aber auch für Netzwerke. Insbesondere in den nach wie vor wirtschaftlich unsicheren Zeiten von Lieferengpässen und gestörten Lieferketten. „Ganz viel Geschäft wird heute nicht mehr über den Preis gemacht, sondern über Vertrauen“, sagt Bruder. „Ich muss einem Anbieter vertrauen können.“ Und wer sich in Netzwerken bewege, wer aus solchen Netzwerken heraus empfohlen werde, bringe einen Vertrauensvorschuss mit, der mit Geld nicht zu bezahlen sei.

Bisweilen also, geht es bei Netzwerken sehr wohl um ganz konkrete Aufträge, um Euro und Cent.

Autor: Sebastian Haak

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Livanur Pektas

Livanur Pektas

Tel: 0361-3484239

E-Mail: pektas@erfurt.ihk.de

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