Wann haben Sie das letzte Mal die Schulbank gedrückt? Lebenslanges Lernen sehen Experten als einen Schlüssel, um Unternehmen und ihre Mitarbeiter auch künftig voranzubringen. Allein Thüringer Unternehmen benötigen bis 2030 fast 345.000 neue Mitarbeiter, um die Ausgeschiedenen zu ersetzen und die Firma wachsen zu lassen. Hinzu kommt das Problem der zunehmenden Personalfluktuation durch Jobwechsel. Hegen, pflegen und weiterbilden – Firmen setzen verstärkt auf das eigene Personal, um dem Mangel zu begegnen.
Eine steile Karriere: vom Lehrling zum Küchenchef
Drei Jahre nach seinem Schulabschluss hatte Heiko Schreiber aus Erfurt seine Koch-Ausbildung in der Tasche – das war 2008. Im gleichen Jahr hatte er im Restaurant „Louisiana“ in Erfurt angefangen. Eine solide Ausbildung, ein sicherer Arbeitsplatz, gutes Geld – eigentlich hätte alles so bleiben können.
Doch 2012 setzte sich Schreiber erneut auf die Schulbank. Diesmal für einen Ausbilder-Schein, der ihn berechtigt, Lehrlinge auszubilden. Drei junge Menschen sind seitdem bei ihm in der Lehre gewesen. Und: auch nach dieser Qualifikation hätte sich Schreiber zurücklehnen können – hat er aber nicht. Nachdem er sich 2014 zum Küchenchef im Louisiana „hochgearbeitet“ hatte, kam 2018 aus seiner Sicht der nächste logische Schritt auf der Karriereleiter: Schreiber startete seine Ausbildung zum IHK-Küchenmeister.
„Das war eine echte Herausforderung. Mit Höhen und Tiefen und viel Lernen. Ich hab dafür gekämpft. Es waren auch unzählige schlaflose Nächte, die ich in den drei Jahren durchlebt habe. Rezepte schreiben, vorbereiten – viel auch im Homeoffice während der Corona-Pandemie. Das hat Zeit und Kraft gekostet, muss ich ehrlich sagen. Als ich im Juli 2021 den Schein dann endlich in der Hand hielt, war ich mega happy,“ so der junge Küchenchef.
Drei Jahre lang hatte ihm seine Frau den Rücken freigehalten, Mut zugesprochen, Kreationen probiert und Tipps gegeben.
Endlich: Geprüfter Küchenmeister (IHK)
Heiko Schreiber ist mit 35 Jahren Koch, Ausbilder und „Geprüfter Küchenmeister“. Die positiven Effekte seiner Weiterbildung liegen für ihn klar auf der Hand: mehr Verantwortung, größeres Verständnis und Souveränität in der Arbeit sowie ein höheres Einkommen.
Nach den Ergebnissen der 9. DHIK- Erfolgsstudie Weiterbildung, beträgt der monatliche Gehaltssprung von IHK-Absolventen zum Teil 900 Euro brutto und mehr. Der überwiegende Teil gibt an, dass die Weiterbildung sie persönlich weitergebracht hat. Sie seien verständnisvoller und souveräner geworden. Auch habe sich die Art und Weise verbessert, mit Kollegen zu kommunizieren und deren Gedanken zu reflektieren.
Stärken erkennen, Mitarbeiter fördern
Melanie und Thomas Walther leiten das Restaurant „Louisiana“ in Erfurt. Sie haben das Potenzial ihres Mitarbeiters schnell erkannt. Während seiner Ausbildung zum Küchenmeister haben sie ihn jederzeit unterstützt. Die Küche haben sie ihrem Küchenchef fürs Probekochen geöffnet, die Zutaten bereitgestellt.
„Wir brauchen junge Menschen, die Weiterbildung nicht als Zwang empfinden, sie müssen es wollen. Die neuen Erfahrungen, das Wissen unseres Küchenchefs bringen uns weiter. Heiko ist eine enorme Stütze und Sicherheit im Arbeitsalltag. Wenn es mal richtig stressig wird, dann holt er uns da raus, ohne dass der Gast darunter leiden muss,“ erzählen die Inhaber.
Wollen auch Sie sich oder Ihre Mitarbeiter zum „Geprüften Küchenmeister/in“ weiterbilden?
Die nächste Chance auf eine IHK-Weiterbildung „Geprüfte/r Küchenmeister/in“ in Vollzeit gibt es ab 1. November 2023. IHK-Weiterbildungskoordinatorin Kristin Gräfin von Faber-Castell möchte damit Köche und auch Mitarbeiter in der Gastronomie mit einschlägiger Berufserfahrung ansprechen, die in ihrem Restaurant Verantwortung übernehmen wollen.
Erste Informationen über Ablauf und Inhalte, BAföG-Möglichkeiten und den Verlauf der praktischen Prüfung gibt es am 22. Februar 2023 um 16:00 Uhr in der IHK Erfurt von Sandra Töpfer, die telefonisch unter 0361-34 84 152 zu erreichen ist.
Weiterbildung zum „Geprüfte/r Küchenmeister/in“:
Berufliche Weiterbildung ist elementar für Fachkräftesicherung
Lebenslanges Lernen – bereits 2001 hatte ein Arbeitsstab in der Geschäftsstelle der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung das als nationale Aufgabe angesehen. Wesentliche Gründe für die Empfehlungen von damals: der wachsende Anteil älterer Menschen, die aus dem Erwerbsleben ausscheiden und der damit verbundene Fachkräftemangel. Aus heutiger Perspektive hat sich die Situation noch verschärft.
Neben dem Strukturwandel erfährt die Thüringer Wirtschaft eine beschleunigte Transformation durch Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Energiewende und E-Mobilität. Aus Sicht von IHK-Abteilungsleiter für Aus- und Weiterbildung, Thomas Fahlbusch, wird die Fachkräftegewinnung – neben der aktuellen Energiekrise – die größte Hürde für künftiges Wachstum sein.
Die kontinuierliche Wissenserweiterung ist ein Schlüssel, um Fachkräfte zu entwickeln und langfristig an Firmen in der Region zu binden.
– Thomas Fahlbusch, Abteilungsleiter Aus- und Weiterbildung in der IHK Erfurt
Hindernisse und Lösungsansätze auf dem Weg zu mehr Bildung
Nach einer DIHK-Umfrage aus dem vergangenen Jahr berichtet knapp jedes dritte Unternehmen davon, dass die derzeit gute Auftragslage ein Hindernis bei der beruflichen Weiterbildung ist.
Gründe dafür sind die angespannte Personaldecke und der Fachkräftemangel. Sie verhindern, das Weiterbildungsengagement besonders in der Baubranche, im Gastgewerbe, im IT-Bereich und in der Veranstaltungswirtschaft auszubauen.
Wie also Mitarbeiter an künftigen Prozessen teilhaben lassen und weiterbilden?
Auch die Industrie- und Handelskammern bieten über das Weiterbildungs-Informations-System über 100 Seminare, Kurse und Aufstiegsfortbildungen an. Im Mittelpunkt steht dabei die berufliche Weiterbildung. Zielgruppen sind Fach- und Führungskräfte.
Lernmodelle wie Blended Learning verbinden dabei klassischen Unterricht mit Online-Angeboten. Die IHK Erfurt stellt sich konkret auf die aktuellen Fortbildungswünsche der Unternehmen und deren Beschäftigten ein.
Passgenau werden die Angebote beispielsweise bei Inhouse-Schulungen gestrickt. So kommen Dozenten auch in Firmen, um kleine Gruppen zu trainieren. In IHK-Seminaren oder Firmentrainings können Teams in kurzer Zeit individuell weitergebildet werden. Zertifikatslehrgänge richten sich an einzelne Mitarbeiter, die sich so neue Inhalte erschließen können. Und in Webinaren werden Inhalte zeitlich flexibel vermittelt.
Thomas Fahlbusch legt Wert darauf, Lehrgänge praxisorientiert anzubieten. Und Angebote können nach dem individuellen Wissensstand und den bisherigen Abschlüssen kombiniert werden.
„Ein sehr gutes Beispiel sind Prüfungsvorbereitungen, die wir in der Höheren Berufsbildung anbieten. Das sind Lehrgänge, die in den Abendstunden stattfinden. Für mich ist es immer wieder erstaunlich, wie Mitarbeitende nach der Arbeit aus vielen Teilen Thüringens zu uns kommen und die neuen Kenntnisse aufsaugen. Die Chance, nach der Arbeit Wissen aufzunehmen, ist gigantisch. Das könnte man auch Hybrid und somit zum Teil während der Arbeitszeit umsetzen. Wenn man es so kombiniert, spart man Zeit bei der beruflichen Bildung. Das sind Modelle, die sich Unternehmen für ihre Mitarbeiter wünschen.“
Autor: Michael Hesse