Das deutsche Vergaberecht wird immer unübersichtlicher; und gerade viele kleine und mittlere Unternehmen verzichten mittlerweile darauf, sich auf öffentliche Ausschreibungen zu bewerben. Die Bundesregierung plant, die öffentlichen Vergabeverfahren nun zu vereinfachen. Worauf es bei der anstehenden Reform ankommt, hat die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) in einer Stellungnahme und auch beim Eröffnungsplenum zur Konsultation am 6. Juni 2023 klargestellt.
Mit der geplanten Reform hat sich die Bundesregierung vorgenommen, die öffentlichen Vergabeverfahren zu „vereinfachen, zu professionalisieren, zu digitalisieren und zu beschleunigen“. Gleichzeitig sollen Beschaffung und Vergabe strategische Ziele unterstützen, insbesondere „wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausgerichtet“ werden.
Das Vorhaben, weniger Bürokratie mit mehr Nachhaltigkeit zu verbinden, birgt allerdings viele Zielkonflikte. Der aktuelle Konsultationsprozess soll Anregungen bringen.
Augenmaß bei der Verknüpfung mit strategischen Zielen
Die DIHK hat sich zur Vergaberechtstransformation unter anderem in ihrer Stellungnahme vom 14. Februar 2023 (PDF, 335 KB) geäußert. Darin mahnt sie, das Vergaberecht müsse vor allem „einfacher und verständlicher werden, damit wieder mehr Angebote auf öffentliche Ausschreibungen eingereicht werden“.
Besonders wichtig sei der Wirtschaft Augenmaß bei der Verknüpfung der Beschaffung mit strategischen Zielen. Da die zahlreichen sozialen und ökologischen Kriterien oftmals keinen Bezug zum Auftragsgegenstand erkennen lassen, lehnt die DIHK den generellen Einsatz zwingender Vorgaben und Mindestquoten hierfür ab.
Außerdem plädiert sie dafür, den Zielkonflikt zwischen Bürokratieabbau und strategischer Beschaffung zugunsten der Vereinfachung zu lösen, denn ohne Vereinfachung der Verfahren seien alle sonstigen Zwecke kaum erreichbar. Die primären Ziele des Vergaberechts insgesamt, nämlich Wettbewerb, Transparenz und Korruptionsprävention, dürften nicht sonstigen Zielen geopfert werden.
Angesichts der Vielzahl relevanter Regelwerke auf Bundes- und Länderebene mit gesonderten Vorschriften etwa für Bau-, Liefer- und Dienstleistungen fordert die DIHK eine Beseitigung der Rechtszersplitterung und ein verständliches Vergabegesetzbuch sowie mehr Einheitlichkeit bei den Vorgaben und eine weitere Professionalisierung: Viele Verbesserungen bedürften keiner gesetzlichen Regelung, sondern seien bereits auf der Ebene der Ausschreibungen selbst zu erreichen.
„Mit der geplanten Reform soll das Vergaberecht wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausgerichtet werden. Ich hoffe, das passiert mit Augenmaß, ohne zusätzliche bürokratische Aufgaben und nimmt vor allem auch die mittelständische Wirtschaft in den Blick.
Dass ein Konsultationsprozess ins Leben gerufen wurde, ist gut und ich wünsche mir, dass die Stellungnahme der DIHK Gehör findet. Auch bei der Umsetzung durch die Bundesländer in ihren Landesbereichen ist wichtig: keine weitere Rechtszersplitterung, sondern Mut auf der Ebene der Ausschreibenden.
Colette Boos-John, IHK-Vizepräsidentin und Geschäftsführerin der Bauer Bauunternehmen GmbH, Walschleben
DIHK-Chefjustiziar Wernicke im Eröffnungsplenum
Wie sich das erreichen lässt, erläuterte auch DIHK-Chefjustiziar Stephan Wernicke beim Eröffnungsplenum zur Konsultation am 6. Juni 2023 in Berlin. Der Livestream der Veranstaltung ist noch abrufbar auf der Website des Bundeswirtschaftsministeriums (Wernicke ab Minute 44).
Autor: DIHK