Nach der Corona-Pandemie war die Hoffnung groß, dass die Konjunkturkurve aufgrund von Nachholeffekten wieder einen Aufschwung zeigt. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Der anhaltende Strom schlechter Nachrichten rund um den Krieg in der Ukraine, die Energiekrise und damit verbunden hohe Inflationsraten kühlen die Stimmung in der Wirtschaft merklich ab.
Klimaindex zeigt dramatische Situation
Der Klimaindex, der die aktuelle Situation sowie die Erwartungen und Pläne für die nächsten Monate beschreibt, verdeutlicht die dramatische Situation. Er fällt im Vergleich zum Frühjahr 2022 um 21 Punkte und erreicht jetzt nur noch 68 von 200 möglichen Punkten. Das ist der niedrigste Wert seit Beginn unserer Konjunkturumfragen im Jahr 1991.
Die Ergebnisse der Befragung kurz zusammengefasst:
- Die gegenwärtige Geschäftslage wird im Vergleich zur vorhergehenden Umfrage – also vom Frühjahr 2022 – nahezu unverändert eingeschätzt. Branchenübergreifend bewerten 29 Prozent der Befragten ihre geschäftliche Situation mit gut, 44 Prozent äußern sich befriedigend. 27 Prozent votieren mit „schlecht“.
- Der Blick auf die nächsten Monate fällt jedoch deutlich pessimistischer aus: Gerade noch 8 Prozent der Befragten rechnen mit einer besseren Entwicklung. Dagegen sind 63 Prozent eher skeptisch. Dies ist die schlechteste jemals gemessene Bewertung der Klimakomponente.
- Insbesondere die Entwicklung bei den Energiepreisen prägt das derzeitige Stimmungsbild: Noch nie seit Beginn der Risikoabfrage im Jahr 2011 wurde ein Faktor als so gefährlich für die wirtschaftliche Entwicklung eingestuft. Im Vergleich zur letzten Befragung im Frühjahr 2022 ist der Wert erneut gestiegen und erreicht nun 95 Prozent.
- Bei der Betrachtung der weiteren Risikofaktoren haben die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen noch einmal deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen: Inzwischen sehen fast zwei von drei Unternehmern darin eine wesentliche Beeinträchtigung für die wirtschaftliche Entwicklung.
Versorgungssicherheit und Energiepreise sind größte Risikofaktor für die Wirtschaft
Neben der Sorge um die Versorgungssicherheit mit Strom und Gas in den Wintermonaten und damit verbundene Einschränkungen in der Geschäftstätigkeit spielt hier vor allem die horrende und nicht absehbare Preisentwicklung die entscheidende Rolle.
Die größte Herausforderung für die Wirtschaft ist die Unsicherheit darüber, ab wann mit welchen Energiepreisen zu kalkulieren ist. Eine betriebswirtschaftliche Planung ist so kaum möglich, das unternehmerische Risiko ist also enorm.
Den Unternehmen fehlt die verlässliche Perspektive und es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Die Zeit drängt, denn das Wichtigste ist Planungssicherheit! Sie ist das A und O für Investitions- und Beschäftigungsentscheidungen und damit auch für Wirtschaftswachstum.
– Dr. Cornelia Haase-Lerch, Hauptgeschäftsführerin der IHK Erfurt
Fachkräftemangel verschärft die Situation
Weiterhin beeinflusst auch der Fachkräftemangel und eng damit verbunden die Höhe der Arbeitskosten die Wirtschaftskraft der Unternehmen. Der demografisch bedingte Fachkräftemangel prägt auch weiterhin die Personalpolitik in den Firmen. So will die überwiegende Mehrzahl der Unternehmer (71 Prozent) den vorhandenen Mitarbeiterbestand beibehalten, 12 Prozent versuchen sogar neues Personal einzustellen. Stellenkürzungen werden von 17 Prozent der Befragten in Erwägung gezogen.
Situation im Hotel- und Gaststättengewerbe zeigt ähnliches Bild
Die jährlich durchgeführte IHK-Herbstumfrage widmete sich traditionell gemeinsam mit dem DEHOGA Thüringen e.V. auch dem Hotel- und Gaststättengewerbe. Christian Lohmann, Vorsitzender des IHK-Ausschusses Stadtentwicklung I Handel I Tourismus und der Hauptgeschäftsführer des DEHOGA Thüringen e.V., Dirk Ellinger, informierten im Rahmen eines Pressegespräches zur IHK-Konjunkturumfrage auch über die Situation der HOGA-Betriebe. Sie machen deutlich: „Dreiviertel aller HOGA-Betriebe hätten akute Existenzängste.“ Eine Situation, die sich ähnlich auch in allen anderen Branchen zeigt. Die Präsentation des DEHOGA Thüringen zum Download hier!
Fazit der IHK-Konjunkturumfrage: Die Wirtschaft steckt im Krisenmodus – Politik ist gefordert
Die Ängste der Unternehmen vor explodierenden Energiekosten, Versorgungsengpässen und kollabierender Nachfrage im Winterhalbjahr sind umfassend und groß.
Der jüngst von der Bundesregierung verkündete fiskalische Abwehrschirm mit einem Volumen von 200 Milliarden Euro ist zwar geeignet, einigen Kostendruck von Unternehmen und Haushalten zu nehmen. Gleiches gilt für das von der Landesregierung angekündigte Hilfsprogramm. Beides muss aber schnell, zielgerichtet und vor allem unbürokratisch an den Start gebracht werden, um möglichst vielen Unternehmen zu helfen.
Die gegenwärtige Krise birgt riesige Herausforderungen, denen es weiterhin mit politischer Entschlossenheit zu begegnen gilt. Gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen haben in den vergangenen Jahren große Flexibilität, Kreativität und Krisenresilienz bewiesen. In vielen Fällen wurden Eigenkapital und private Mittel eingebracht, die nun aufgebraucht sind.
Es ist jetzt an der Bundesregierung, wirksame Maßnahmen zur Krisenbewältigung zu ergreifen und den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Sonst dürfte aus einer aktuell prognostizierten leichten Rezession eine sehr schwere Wirtschaftskrise werden.
– Dr. Cornelia Haase-Lerch, Hauptgeschäftsführerin der IHK Erfurt
Die Ergebnisse der Konjunkturumfrage Herbst 2022 der IHK Erfurt zum Download: